Ich stehe mit Lea, einem Mädchen aus meiner Stufe, in der Schlange vor den Schulklos. Lea gehört zu den schüchternsten Mädchen, die ich kenne. Wenn man sich mit ihr unterhält, wirkt sie oft befangen. Trotzdem hat sie eine schöne, irgendwie … reine Ausstrahlung. Na ja, jedenfalls stehen wir so da und sehen uns in den Spiegeln gegenüber an.
Eine Weile sagt keiner von uns beiden was. Unsere Spiegelbilder mustern uns kritisch. Dann platzt es plötzlich ganz unvermittelt aus ihr raus.
„Ich will nicht die Pille nehmen wegen meiner Haut.“
Ein bisschen überrumpelt fühle ich mich schon, aber zum Glück schalte ich ausnahmsweise mal ziemlich schnell.
„Das wurde mir auch schon mal empfohlen. Ich machs auch nicht.“
Sie nickt. „Ich meine, ich will doch keine Hormone nehmen wegen meiner Haut oder so. Jeden Tag.“
„Nee. Finde ich auch Quatsch. Und ganz ehrlich: Wir habens beide auch nicht wirklich nötig, oder?“
„Nee.“
Sie lächelt mich zufrieden mit der Unterhaltung an, die Schlange rückt weiter und eine Sekunde später ist der Moment und das Gespräch vorbei.
Ein winzig kleiner, verbaler Ausbruch in der Schlange vor den Schulklos, sonst nichts. Und doch: Es war ihr wichtig, das loszuwerden, das zu teilen, und ich habe ihr zugehört. Dieser Moment hat einen Unterschied gemacht.
Oh ja, das kenne ich von mir selbst, vor allem von früher – nicht wissen, wie man einen „anständigen“ Smalltalk hinkriegt. Anstelle dessen schiesst man mit irgendeinem Thema los.
Und du konntest mit dem Thema etwas anfangen. So dass sie nicht ihr Gesicht verlieren muss.
Ich glaube, es ging ihr gar nicht um Smalltalk – ich glaube, das musste sie einfach mal sagen, mal loswerden. Und weil sie nicht wusste, wie, ist es einfach so herausgeplatzt.