Ich, meine Angst und der Beginn einer Liebe

Das ist der Punkt, den mir keiner glaubt: Ich bin ängstlich. Nicht in den Momenten, in denen die meisten mich sehen. Ich fürchte mich nicht vor der Bühne, vor Spinnen, vor merkwürdigen Menschen. Alles, wozu ich eine gewisse Distanz bewahren kann, das macht mir keine Angst. Da bin ich mutig. Ich bleibe bei mir und die Leute denken, ich sei so unabhängig, so selbstbewusst, vielleicht sogar unangreifbar. Und es ist ja nicht mal gelogen. In solchen Momenten bin ich das ja oft wirklich.

Aber es gibt ja noch andere Momente. Nahe Momente. Und da sieht das ganz anders aus.

Zum Beispiel ich und mein Rückzug. Der Ort, wo ich hingehe, um mich auszuruhen, mich zurechtzufinden, mich zu sortieren. Das ist ein Ort, der sicher sein muss. Stabil. Unerschütterlich. Vertraut und verlässlich. Kommt da Unruhe hinein, dann bekomme ich Angst. Ich bekomme Angst vor einer cholerischen Mitbewohnerin oder einem Umzug. Das ist dann nicht mehr so besonders rational und verhältnismäßig, das weiß ich dann auch. Aber das hilft mir dann ja auch nichts. Davon, dass ich weiß, dass ich keine Angst haben bräuchte, geht sie nämlich nicht weg.

Genauso ist es mit Menschen. Je näher mir ein Mensch steht, desto mehr Angst kann er in mir auslösen. Da ist ein Konflikt: Ich will die Nähe und ich brauche die Nähe. Ich will Herzen und Hirne und Körperwärme teilen. Das tut mir gut. Aber gleichzeitig ängstigt es mich zutiefst: Was ist, wenn ich nicht genug bin, wenn ich für den anderen eine Überforderung bin, wenn ich durch meine berühmten emotionalen Stolperfallen alles kaputt mache? Und dann beginnt ein merkwürdiger Tanz, ein merkwürdiges Hin und Her zwischen Nähe und doch wieder Distanz, ich will dich und ich will allein sein, festhalten und doch wieder loslassen. Und dann bin ich überfordert. Und das, was der andere vielleicht an mir so mochte, als er mich kennen gelernt hat, die Leichtigkeit, Unabhängigkeit, Unkompliziertheit, ist auf einmal weit weg.

Das Problem ist, dass das auch passiert, wenn es gar keinen Grund dafür gibt. Gar keinen Anlass. Selbst wenn ich nichts finde, dass beim anderen darauf hindeutet, dass ich Angst haben müsste. Die Angst ist trotzdem da. Die irrationale, unverhältnismäßige Angst vor dem anderen, vor der Nähe, davor, mich darauf einzulassen. Diese Angst macht mich unsicher, hindert mich daran, Entscheidungen zu treffen, boykottiert das Vertrauen.

Ich lasse mich nicht bestimmen von dieser Angst. Zumindest versuche ich das. Ich versuche, diese ganzen Angstwellen in mir auszugleichen und immer irgendwie dieselbe zu sein. Ich versuche, so zu entscheiden, wie es mir entspricht, wenn die Angst gerade mal schweigt. Ich versuche, dieses ganze Angstthema für mich zu behalten, damit ich den anderen damit nicht überfordere. Und vor allem nehme ich wegen dieser Angst nicht Reißaus. Ich bin mehr als meine Angst.

Ein sicherer Ort für mich ist ein Ort, der sich wenig verändert, der unerschütterlich, verlässlich und vertraut ist. Vor so einem Ort muss ich keine Angst haben. Es gibt Herzen, die solche Orte für mich geworden sind. Damit ein Herz für mich so ein Ort wird, muss ich durch die Angst gehen. Muss ich vertrauen lernen. Das ist ein weiter Weg und er fällt mir nicht leicht.

Vielleicht ist das meine Art von Mut: Mich auf den Weg durch die Angst zu machen. Mein Ziel und mein Gewinn ist dein Herz an meiner Seite. Mein Gegenspieler bin in den meisten Situationen ich selbst. Und die größte Hilfe bist du mir, wenn du dich von meiner Angst nicht verunsichern lässt und mir immer wieder sagst, was du über mich denkst. Dann schaffe ich diesen Weg schon. Ich kenne meine Angst. Wenn du für mich bist und mein Herz willst, dann schaffe ich das.

Meine Angst fragt, wie um alles in der Welt du wissen solltest, dass du mein Herz willst, wenn wir doch noch gar nicht so vertraut sind.

Mein Herz sehnt sich danach, dass du dir da einfach sicher bist.

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.

Ich entscheide mich dafür, dass mir das reicht.


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