Frost liegt über der Stadt. Er durchdringt den Boden, lässt die Luft klirren und die Autos glitzern. Viele Fenster sind warm erleuchtet. Ich pflücke mir eins und laufe mit einem Luftballon aus Licht durch die Straßen. Bäume stehen dort wie stille Tänzer in Startposition, scheinen zu warten auf Musik und Wind und Frühling. Ein paar Jugendliche mit lauten Stimmen verschwinden in einer trüben Einfahrt zwischen steif herab geneigten Häusern. Ein Bus rauscht vorbei und es wird wieder still. Auf dem Asphalt schimmern kleine Eiskristalle weiß im Laternenlicht.
Ich fühle mich, als würde ich durch ein Gemälde laufen. Oder durch ein Gedicht. Meine Hand wird kalt und ich nehme die Schnur meines Luftballons aus Licht in die andere Hand.
Es ist still. Diese Stille ist so schön, weil niemand sie füllen muss. Alles, was ist, ist schon genug: Die Fenster, die Bäume, die Straßen, der Frost. Dazwischen laufe ich. Ich muss lächeln, weil ich mich an die Reaktionen anderer Menschen auf solche Gedankenbilder erinnere, wenn ich es doch mal gewagt und sie ausgesprochen habe. „Typisch Sina: Bäume sind auf einmal Tänzer, erleuchtete Fenster kann man pflücken und die Welt ist ein Kunstwerk.“ Aber so ist es nunmal auch! Es ist eben eine stille Freude. Ich erdenke Farben und Stimmung und Worte und umspinne damit die Stadt und die Straßen. Mein Publikum ist mein Herz. Alles hier ist sich selbst genug, und in diesem Moment bin ich mir das auch.
Zuhause, ich komme zu Hause an. Ich lasse meinen Luftballon in den Nachthimmel steigen und sehe ihm nach, bis ich ihn von den Sternen nicht mehr unterscheiden kann.