Teil 1: Ein Selbstgespräch
„Sina, du lügst.“
Ich bin dickköpfig. Ich sage nichts und schaue weiter irgendwohin.
„Du lügst. Dir geht es überhaupt nicht gut. Du hast nur kein Bock auf Erklärungen. Und du willst nicht jemand sein, der meckert. Deswegen redest du dir deine Probleme klein, bis es dir ‚gut‘ geht.“
Ich schweige weiter.
„Außerdem willst du vergessen, wie es dir geht. Abgelenkt werden. Es verdrängen.“
In meinem Kopf ist gleichzeitig Unruhe und absolute Stille. Gleichzeitig Verschluss sowie höchste Aufmerksamkeit. Mein Gesicht eine Maske.
„Vor allem aber hast du es satt, falsch verstanden zu werden.“
Ein Damm bricht und eine Träne fällt.
Teil 2: Eine Pfütze Selbstmitleid
Es ist so viel leichter, einfach zu sagen, es gehe mir gut. So viel leichter als der Versuch, zu erklären, was mir gerade so schwer fällt. So viele Schlachten habe ich schon geschlagen, nicht gegen den eigentlichen Gegner, sondern gegen meine Freunde.
Freunde, die nicht zuhören, sondern nach ein paar Momenten denken: „Das kenne ich!“ – und dann von sich reden, die ganze Zeit nur von sich, obwohl ihre Erfahrung überhaupt nicht meine ist.
Freunde, die nicht zuhören, sondern nach ein paar Momenten denken: „Dazu weiß ich was!“ – und mir Ratschläge geben, die ich nie haben wollte. Ratschläge, die ich doch schon lange kenne. Die mir deswegen nicht weiterhelfen, weil sie gar nicht zu meinem Problem passen.
Freunde, die zuhören, aber nicht verstehen können, weil es sie völlig überfordert, dass es mir schlecht geht – Sina, die immer so sicher wirkt, Sina, die doch immer so gut drauf ist. Freunde, die dann total hilflos sind und dann muss ich doch wieder die Starke sein.
Schlachten gegen meine Freunde darum, verstanden zu werden. Darum, mich mitzuteilen. Viel zu anstrengend.
Wie viel leichter ist es, einfach zu sagen, es gehe mir gut.
Teil 3: An dich
Ich habe einen Freund, der fragt: „Wie ist das eigentlich momentan so?“ und fragt weiter: „Und wie fühlt sich das an?“ Ich liebe das. Ich liebe das, weil er nicht meint, irgendetwas zu wissen, bevor er wirklich zugehört hat. Und ich liebe das, weil es ihn nicht überfordert. Weil er es ertragen kann, wenn es mir nicht gut geht. Manchmal vermisse ich ihn.
Manchmal wäre ich gerne wie er. Würde selbst gerne aufmerksamer zuhören können. Die Stille besser aushalten können. Mit dir zusammen einfach dein Leben ertragen können, ohne den Schmerz mit Geschichten von mir selbst oder Ratschlägen aus meinem ganz anderen Leben abwehren zu müssen. Aber da bin ich irgendwie noch nicht.
Und dann lügst du mich an, weil du es auch satt bist, falsch verstanden zu werden. Wir schlagen Schlachten gegeneinander und sehen nicht, dass wir auf der selben Seite stehen. Lügen uns an, weil wir so verletzt sind, und ich glaube, was ich eigentlich sagen will, ist:
Nein, ich verstehe dich nicht. Aber dass du verletzt bist und dich unverstanden fühlst, DAS verstehe ich. Bitte erzähl mir von dem Rest. Erzähl es mir wie einer Schülerin, der du beibringen musst, wie man fühlt. Erzähle es mir wie dem Alten, der schon alles gesehen hat, sodass man ihn mit nichts schonen muss. Erzähle es mir wie einem Tagebuch, das nichts weitererzählen und nichts zurückgeben kann als einfach nur deine Geschichte aufzuheben.
Und ich hör dir zu, bis ich verstehe.
Danke. Das trage ich in mir weiter.