Ich wusste ja schon immer irgendwie, dass ich recht sensibel bin, aber jetzt zu wissen, dass ich zu einer 15-20%igen Minderheit der Bevölkerung gehöre, die „hochsensibel“ ist, ist noch mal eine ganz andere Dimension.
Ganz kurze, grobe, unzureichende Erklärung des Wortes: Bei hochsensiblen Menschen fehlen Filter im Gehirn, die „unnötige“ Informationen ausblenden. Das führt dazu, dass sie Lärm- und Kälteempfindlicher sind, bei Menschen viel schneller Stimmungen und Gefühlslagen wahrnehmen und sämtliche Informationen reflektieren, analysieren und ausführlich verarbeiten. (Und noch tausend andere Folgen.)
20%! Das sind sechs Leute aus meiner Klasse, 42 aus meiner Stufe, 320 an meiner Schule und 30000 aus meiner Stadt! Und ich dachte immer, dass ich irgendwie anders bin, komisch, und ziemlich alleine damit. Aber es ist wohl wissenschaftlich irgendwie stichfest, dass es eine klare Abgrenzung zwischen denn einen 15-20% und denn anderen 80-85% gibt – ohne jeden fließenden Übergang. (Das war wohl eine Studie in Bezug auf Schmerzgrenzen bei sehr hohem Reizeinfluss – also Lärm und sehr schnellen Bildern.) Warum kann trotzdem kein Mensch was mit diesem Wort anfangen? Warum werden mit dem Adjektiv „sensibel“ oft nur weinende Mädchen vor Liebesschnulzen assoziiert?
Ein bisschen Internetrecherche später ist mir auf einmal einiges klar:
Warum ich immer und überall die Tür zumachen muss.
Warum ich in vollen Restaurants nicht gut essen kann.
Warum ich manchmal auf Dinge antworten muss, die der andere doch gar nicht gesagt hat.
Warum mich kleine Unvollkommenheiten im Regal oder an einer Lampe oder so manchmal in den Wahnsinn treiben.
Warum ich Abends nicht ins Bett gehen will.
Warum ich Sachen immer unbedingt richtig machen will.
Warum ich im Gegensatz zu vielen anderen Menschen einen echten Zugang zu Kunst habe.
Warum mir Harmonie so übertrieben wichtig ist.
Warum sich Hunger bei mir so stark auf meine Gemütslage auswirkt.
Warum ich von anderen gerne als „gute Zuhörerin“ beschrieben werde.
Warum mich das Ticken von Uhren so nervt.
Warum ich es schwer in der Pausenhalle unserer Schule aushalte.
Warum ich Schule so viel anstrengender empfinde als mein Praktikum mit psychisch kranken Menschen oder die Besuche an der Arbeit meiner Mutter.
Warum ich so viel schlechter in allem bin, wenn ich dabei beobachtet werde.
Warum ich so oft das Gefühl habe, dass ich viel mehr Innenleben habe als die meisten anderen Menschen.
Ich fühle mich plötzlich so verstanden!
Und das hängt alles irgendwie mit meiner Hochsensibilität zusammen. Hm. Da eröffnen sich Welten!
Überall, auf sämtlichen Seiten wird geschrieben, dass so gut wie nie alle Kennzeichen von Hochsensibilität zutreffen. Was bei mir ja erst mal so gar nicht zutrifft: Ich wurde sicher nicht von Eltern und Lehrern als „schüchtern“ bezeichnet. :D Schon Leute, die mich fünf Minuten kennen, wissen, wieso. Und leicht erschrecken tue ich mich auch nicht gerade. Auch träume ich nicht.
Ich muss mir wirklich von der einen Freundin dieses Buch zu dem Thema ausleihen. Wenn ich mich in einer Stunde Internetrecherche schon so wiederfinde, was ist dann wohl mit einem ganzen Buch?
Ach Leutkens, ich beginne gerade, mich selbst zu verstehen. Hach wie schön. Ich bin plötzlich so normal … Und auch wieder nicht.
Sina ist hochsensibel.
Ich wiederhole das jetzt in meinem Kopf, bis ich mich daran gewöhnt habe. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. Sina ist hochsensibel. …