Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie genau das in der normalen Welt ist, aber in der christlichen Blase werden sehr gerne Regeln darüber aufgestellt, wie der ganze Prozess von „zwei Menschen treffen sich“ zu „und dann lebten sie glücklich bis an das Ende ihrer Tage“ auszusehen hat. Je nach dem, in welcher christlichen Blase man genau herumblubbert, variieren die Regeln etwas. Wie viel Körperkontakt ist wann okay, wie lange sollte man vor dem heiraten mindestens und höchstens zusammen sein, wie alt sollte man sein… von all diesen Dingen gibt es klare Vorstellungen. Was die normale Welt angeht – ich weiß, dass es auch da Gurus gibt, die Regeln aufstellen. Ich weiß nur nicht, wie viele Leute das interessiert.
Jedenfalls. Ich habe etwas gelernt.
Mein bester Freund ist Schuld. Der hat nämlich jetzt eine Freundin, und ich verwette 20 € und einen Apfelkuchen darauf, dass die beiden sich in diesem Leben nicht mehr trennen werden. Ich muss zugeben, dass ich das nicht habe kommen sehen. Ehrlich gesagt habe ich sogar mit dem Gegenteil gerechnet. Die beiden kannten sich schon ewig und hatten immer mal mehr und mal weniger miteinander zu tun. Jedes dreiviertel Jahr hat er mal darüber nachgedacht, ob er sich da mehr vorstellen könnte, war sich aber nie so sicher. Ich dachte: Wenn sie wirklich so gut zusammen passen würden, dass das eine gute Beziehung ergäbe, wäre es doch schon lange passiert. Dann würde er nicht schon vor Beginn so sehr daran zweifeln. Dann würde sie mehr Interesse zeigen. Ich habe damit gerechnet, dass – falls sie irgendwann zusammen kommen – dieses „meh, weiß nicht“-Gefühl bleibt und die Beziehung einfach alles in allem nicht das Wahre ist.
Meine Einschätzung wäre vollkommen richtig gewesen, wäre mein bester Freund genauso wie ich. Ich weiß in der Regel sehr schnell, was ich will, und es fällt mir leicht, mich dafür zu entscheiden und dabei zu bleiben. Deswegen wusste ich nach ein paar freundschaftlichen Treffen und ein paar Dates, dass ich mit meinem Ehemann mein Leben verbringen würde, wenn er mich lässt. Wenn ich mir auf der anderen Seite bei etwas von Anfang an unsicher bin, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieses Gefühl für immer bleiben wird. Bist du wie ich, dann filtere jeden Mann, der dich nicht von Anfang an überzeugt, aus der Liste deiner potentiellen Partner heraus und verschwende nicht deine Zeit damit, „aber was wäre wenn“ zu spielen.
Aber es ist nicht jeder wie ich. Mein bester Freund ist nicht wie ich. Mein bester Freund nähert sich den meisten Dingen in seinem Leben ganz, ganz langsam an, denkt viel darüber nach, prüft die Dinge immer lieber noch einmal mehr, und trifft erst dann eine Entscheidung. Es wäre komisch gewesen, hätte er seine Beziehung angegangen, wie ich das damals getan habe. Es hätte nicht zu ihm gepasst, es wäre fremd für ihn gewesen, er hätte sich dafür verbiegen müssen. Sich an die Geschichte in Zeitlupe heranzupandern, das passte genau zu ihm. Es ist seine Herangehensweise, und weil es am Ende auch seine Beziehung ist, ist das fantastisch und genau richtig.
Jeder sollte sein Dating-Leben so gestalten, wie es zu ihm passt. Diese „Beziehungs-Regelwerke“ beachten nicht, dass Menschen verschieden sind. Sie entsprechen bestimmt genau dem Urheber dieser Regeln und noch ein paar weiteren Menschen, aber beim Rest sind sie wie schlecht sitzende Klamotten. Tadaa! Das hab ich gelernt.
Nachdem ich das jetzt festgestellt habe und ihr alle zustimmend nickt, lasst mich noch kurz zwei Dinge klarstellen.
Erstens. Dass deine Art, Beziehung zu gestalten, zu dir passen soll, ist keine Ausrede für destruktives Verhalten. „Ich bin halt so“ gilt nicht, sobald es dir oder anderen schadet. Dann wäre es besser, neue, konstruktivere Herangehensweisen einzuüben.
Zweitens. Trotz meinem neu entdeckten Beef mit Dating-Regeln glaube ich, dass es Weisheiten gibt, die allgemeingültig sind. Zum Beispiel, dass es gut ist, Erwartungen zu besprechen. Oder dass „aber sonst wäre ich alleine“ ein beschissener Grund ist, um in einer Beziehung zu bleiben. Und so ein paar andere Sachen. Selbsterklärend.
Jetzt, wo ich das alles aufgeschrieben habe, erscheint es mir so trivial. Als wäre das alles völlig selbstverständlich. Ich komme mir etwas komisch vor, so einen No-Brainer als meine neuste Erleuchtung zu teilen. Aber hey, für mich wars irgendwie neu, vielleicht ist es das ja für irgendwen anderes auch.