Texte nach einer Trennung 1/3 – Einige Tage danach
Wie wird es sein, eines Tages, wenn ich in die Augen eines Mannes sehe und mit allem, was ich bin, spüre und sehe und höre, dass er, mit allem was er ist und nicht ist, was er denkt und fühlt und wünscht und plant und hofft – mich will? An seiner Seite will, in seinem Leben will. Weil ich es ihm wert bin und er mich liebt. Weil er einen Weg gegangen ist und geprüft hat und Gott gefragt hat und jetzt weiß: Er hat ein Ja zu mir.
Wie wird es sein, eines Tages, wenn ich mich schenken darf, mich ihm schenken darf, mein Alles – weil er mich ganz will? Wie wird es sein, wenn ich eines Tages mich öffnen darf vor diesem Mann, und es ihm das Kostbarste ist, was ein Mensch ihm schenken könnte? Wenn ich schenken darf und spüre, es ist ihm noch so viel mehr wert als mir, ich bin ihm noch so viel mehr wert, und er sieht mich und will mich und es ist ihm kostbar, ich bin ihm kostbar.
Wie wird es sein, eines Tages, wenn ein Mann mich so zu lieben weiß, dass ich mir dessen von Herzen sicher sein kann? Wie wird es sein, wenn da ein Mann ist, und ich weiß: Sein Ja zählt? Er hat mir ein Ja gegeben und ich brauche keine Angst zu haben, mich nicht verstellen, verstecken, so sehr versuchen, es nicht zu verlieren. Ein Mann, der – so wie ich, mit mir zusammen – lachen kann angesichts der Stürme und Stolperfallen, durch die wir schon gefallen und geirrt sind und durch die wir hindurch gefunden haben, und mit dem ich lache angesichts derer, die gewiss noch kommen, und auf die wir voller Zuversicht zugehen, weil tief in unseren Herzen geschrieben steht: Das ist es wert. Du bist es wert. Komm.
Wie wird es sein, eines Tages, wenn ich gedankenverloren die Hand eines Mannes halte, mit den Fingern darüber fahre – an der Hand eines Mannes bin, der liebt, mir zu sagen, was ich ihm bedeute, der Worte sucht, nur für mich, weil er verstanden hat, wie viel mir das bedeutet? Der sich aufmacht, auf die Suche macht, mir immer noch einmal neu und besser und inniger zu sagen, was er an mir liebt, wie sehr, wer ich in seinen Augen bin, seine Gedanken über mich. Der einfach, weil er weiß, wie gut mir das tut und wie warm und voll die Saiten meiner Seele zu klingen beginnen, wenn er sie mit seinen Worten anschlägt – der einfach, weil er es liebt, zu sehen, wie ich mich dann darüber freue und darin aufblühe – der einfach deswegen niemals damit aufhört.
Wie wird es sein, eines Tages, wenn ein Mann Gott sucht wie ich und vielleicht noch mehr, sich nach Gottes Worten sehnt wie ich und vielleicht noch mehr, und wenn ihm Gottes Worte Frieden und Vertrauen geben wie mir und vielleicht noch mehr? Wenn ein Mann, den ich in Gottes Händen sicher weiß und der mich in Gottes Händen sicher weiß, beschließt, mir seine unperfekte Liebe zu schenken, selbst zu lernen und Geduld mit meinem Lernen zu haben, mich um Vergebung zu bitten und mir zu vergeben, und der mein Herz sieht, das das alles will und sich ihm schenken will, und der Ja dazu sagt?
Wie wird es sein?
Momentan sind da Scherben, über die ich noch hinübersteigen muss, um weiterzugehen. Ich weiß, irgendwann werde ich zurückblicken und sehen, dass diese Scherben Pflastersteine meines Weges geworden sind.
Da ist ein Mädchen in mir, eine Frau in mir, die in einem wunderschönen Sommerkleid im Licht der Abendsonne einen Kuss mit einem Mann teilen will, von dem sie sagen kann: Ich bin meines Geliebten und sein Verlangen steht nach mir. Liebe ist sein Banner über mir. Ich habe sein Herz geraubt mit nur einem Blick aus meinen Augen.*
Diese Frau bin ich. Wie wird es sein?, frage ich mich. Wird es sein? Die Scherben, der Weg vor mir. Wird es sein?
Ich lebe hin, hoffe hin auf dieses Ja, und hoffe zu wissen und versuche zu lernen, dass es dieses Ja zu mir und diese Liebe für mich gibt, selbst wenn da niemals ein Mann kommt, der sie mir schenkt. Weil sie mir schon geschenkt ist.
Ja, ich darf fragen: Wie wird es sein? Und noch tiefer darf ich wissen: Es ist schon.
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* aus dem Hohelied in der Bibel