Fast ein Jahr ist es her seit meinem letzten Beitrag zur Reihe: „Dumme Sprüche, die unbedingt mal jemand auseinandernehmen sollte, im Zweifel ich“. Wer das gut findet, findet hier (*klick*) die bisherigen Episoden. Und dies ist eine weitere! Heute:
Der Klügere gibt nach.
Zugegebenermaßen wurde dieser Spruch schon das eine oder andere Mal ordentlich auseinandergenommen. Am bekanntesten ist wohl die Antwort: „Wenn der Klügere nachgibt, regiert der Dumme die Welt.“ Ja, ist ja schon ganz nett. Was ich jetzt noch spannend finde – was macht denn der Klügere jetzt, wenn nachgeben nicht unbedingt immer klug ist? Ist er einfach nur stur?
Der Klügere gibt vor, nachzugeben. Das macht er, weil er es hinkriegt, den Dümmeren glauben zu lassen, das Kluge wäre seine Idee gewesen. Er kann das machen, weil er nicht an der Anerkennung des Dümmeren hängt und weil er es im Stillen erträgt, dass der Dümmere glaubt, ihn besiegt zu haben. Es reicht ihm, dass er es besser weiß.
Der Klügere kann nachgeben. Er ist nämlich zu klug, um seine Identität daran festzumachen, dass er immer Recht hat.
Der Klügere weiß, wann nachgeben klüger ist. Es gibt ja durchaus Situationen, wo nachgeben tatsächlich klüger ist, nämlich wenn das Verhältnis zwischen dem durchgesetzten Nutzen und der Summe aus dem dadurch angerichteten emotionalen und sachlichen Schaden und dem persönlichen Aufwand nicht gut genug ist.
Allen voran aber: Der Klügere lässt sich nicht von dummen Sprüchen manipulieren. Wenn einer auf sowas in Richtung „Der Klügere gibt nach“ hört – naja, dann sind wohl zwei ziemlich dumme Menschen auf einem Haufen, wenn das schon der Klügere ist.
Ergänzend hierzu:
Edward de Bono – Der Klügere gibt nicht nach. Vom erstarrten zum fließenden Denken.
Denke es kommt aus der Natur, wenn der Baum beim Sturm nicht nachgibt und sich nicht biegt, bricht er irgendwann.
http://xkcd.com/386/
Ich würde dem nicht „Nachgeben“ sagen, sondern eher „Erkennen, dass mit Argumenten nichts zu erreichen ist“. Nachzugeben kann verheerend sein. Manchmal können Kinder die Eltern unter Druck setzen – etwa indem sie durch penetrantes Quengeln ein Nachgeben erzwingen.
Ein Nachgeben ist verlockend, gerade weil man sehr schnell Ruhe erhält. Ein Nachgeben kann fatal sein, weil gerade jene Person, die nicht durch die besseren Argumente aufgefallen ist, das Gefühl bekommt, sie hätte die Diskussion gewonnen.
Es ist schwierig, einen sinnlosen Streit abzubrechen, ohne gleich als Verlierer dazustehen. „Siehst du, jetzt sagst du nichts mehr. Hast wohl keine Argumente mehr?“.
Ich sah diese Mechanismen in meiner Familie. Insbesondere in der Beziehung zum Vater bestand nie eine Gesprächskultur, in welcher man für ein Anliegen streiten konnte. Entweder war man als Kind super-brav und erhielt Belohnungen und Geschenke – oft ungefragt – oder man musste stets warten. Und wenn man etwas haben wollte, kam ausgerechnet Papa mit dem Spruch „Der Klügere gibt nach…“.
Warum sollte der Klügere es akzeptieren, wenn ein Quengelkind kein vernünftiges und begründetes Anliegen formulieren kann?
Ich sehe das nicht so einfach.
Aber die Eltern-Kind-Beziehung spielt in so ziemlich allem in einer ganz anderen Liga. Der Spruch „Der Klügere gibt nach“ impliziert meiner Meinung eher einen Konflikt zwischen zwei eher unabhängigen Personen. Ich finde es schwierig, sowohl den Spruch als auch meine Ausführungen dazu darauf anzuwenden.
Was ich spannend finde, ist dass du am gewinnen hängst. Die Person ohne bessere Argumente hat das Gefühl zu gewinnen – na und? Was hättest du gewonnen, wenn sie sich fühlt, als hätte sie verloren? Glaubst du, sie lernt dadurch? Und ist das nicht eher verschwendete Energie? – Und es geht hier mal nicht um dein Kind, das von dir abhängig ist und für das du Verantwortung trägst.
Jetzt bitte ich um einen IQ-Test, um zu schauen wer von uns der/die Klügere ist, und wer von uns demnach nachgeben muss. :P
„Der Klügere gibt nach“ ist untrennbar mit hilflosen Erziehungsversuchen eines meiner Elternteile verbunden. Darum antwortete ich auch aus dieser Ecke. Ich sorge mich aber um einen guten Diskussionsstil. Auch in einer guten Diskussion gibts manchmal einen Verlierer, dem man aber eine genug lange Atem-Pause lassen muss, damit er mit nochmals überdachten Argumenten wieder ans Gespräch anknüpfen kann. Manchmal muss man einen Menschen überzeugen, und diesen nicht überzeugen zu können, ist eine Niederlage. Gibt ja genügend Beziehungen, in welchen die eine Person ein Anliegen hat, und die andere sie abwimmelt – „es ist ja alles gut“. Das wird dann jeweils so gelöst, dass man jemanden entweder überzeugen kann, oder dann setzt man die andere Person unter Zugzwang. „Ich reiche die Scheidung ein“, „Ich zieh aus“ und was auch immer.
Die Hoffnung, dass ein Klügerer nachgibt, ist trügerisch. Und wäre ein Gesprächspartner klug, würde er bei einem guten Argument sowieso einlenken. Er könnte gleich sagen, dass der andere Mensch auf der sachlichen Ebene Recht hat. Er müsste nicht einmal das Gefühl haben, nachzugeben.
Vermutlich habe ich jetzt an dir vorbei geredet. :P
off-topic: Hier gibt es XKCD-Leser? Grandios!
Andererseits überrascht es mich eigentlich gar nicht sooo sehr … :)
Auch wenn das gar nicht von mir kam – Wozu hat man große Brüder als wenn nicht dazu, dass sie ständig mit sowas um die Ecke kommen? :D