Unter Flügeln

(Begonnen am 21. November 2015, heute wiedergefunden und vollendet)

Riesige Vögel fliegen vor der Sonne, Scharen von ihnen, und lassen kaum noch Licht hindurch. Es wird dunkel.

Im Dunklen sitze ich. Ich sitze allein. Ich sitze und alles zieht an mir vorbei wie Vögel, wie Vögel, die auf mich zurasen und von mir wegrasen und deren Flügelschlag mich berührt. Noch immer sitze ich. Tage werden zu Wochen und Wochen zu Monaten. Dunkel. Allein.

Dunkel und allein klingt schlimm. Ist es aber gar nicht. Ich habe es immer geliebt, nachts draußen zu sein, besonders mit nur wenigen Leuten oder alleine. Nicht gesehen werden birgt eine ganz besondere Geborgenheit, und allein sein eine ganz besondere Freiheit.

Dunkel und allein ist nicht schlimm, aber es konfrontiert einen mit sich selbst. Im Dunklen, wo man nicht viel sieht, ist man auf einmal mehr bei sich. Alleine, wo kein anderer einen definieren kann, man nicht Teil der Welt eines anderen ist, da sieht man seine eigene Welt. Das ist manchmal schwer.

Vögel fliegen vor der Sonne, große, in Scharen, und sie sind gekommen und werden wieder gehen. Ich sitze da, sitze allein im Dunklen. Mich selbst werde ich immer bei mir haben. Meinen Blick nach innen gerichtet entdecke ich, was ich nie kannte. Im Schatten entdecke ich Schönheit.

Vielleicht ist es auch gar nicht der böse Schatten etwas Bedrohlichen, in dem ich gerade bin, sondern der behutsame Schatten schützender, weicher Schwingen eines so viel größeren Gottes. Und vielleicht ist die geheimnisvolle Schönheit, die meine Augen da erkennen lernen, seine.

Wer schön sein will …

So. Gehen wir mal wieder einem meiner Lieblings-Hobbys nach: Dem Sprüche-auseinander-rupfen. Die bisherigen Ausgaben dieser einmaligen Serie hier.

Heute ein Klassiker:

Wer schön sein will, muss leiden.

Den hört man, wenn die schönen Schuhe unangenehm sind oder man sich über den Aufwand des Beinerasierens beschwert. Damit soll gesagt werden: Wenn man schön aussehen will, muss man eben Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen.

Klingt logisch.

Ist aber falsch.

Diese ganze Rechnung macht nur oberflächlich Sinn.
Oberflächlich gesehen sind schöne Schuhe schön und glatte Beine auch. Oberflächlich gesehen gibt es viele Sachen, die irgendwie schön sind und die man manchmal nur über Unbequemlichkeiten erreichen kann.

Nur, dass das nie die Sachen sind, die die Schönheit im Endeffekt dann ausmachen.

Ein ganz großer Teil von Schönheit – vielleicht sogar der entscheidende – ist Ausstrahlung. Das ist etwas, was man nicht tragen, aufschminken oder wegrasieren kann. Es ist etwas, das daher rührt, wie ich über mich selbst denke, wie ich mit mir selbst und meinem Körper umgehe, wie ich über andere denke und wie es mir gerade geht. Ein wertschätzender und entspannter Umgang mit dir selbst ist folglich gut für deine Schönheit.

Merkste was? – Ein entspannter Umgang mit dir selbst ist gut für deine Schönheit. Der Spruch „Wer schön sein will, muss leiden“ zeugt nicht gerade von diesem entspannten Umgang, sondern eher von einem fast schon verkrampften Verhältnis zu sich selbst.

Vielleicht ist das auch ein bisschen zu hoch gedacht. Brechen wir es mal runter auf die rein optische, körperliche Ebene.
Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber ich empfinde diese „Schönheitsmerkmale“, für die man leiden muss, oft gar nicht so besonders schön. Sind die Schuhe/Kleider/Hosen/…, in denen man leidet, echt die schöneren? – Ich weiß ja nicht. Sind die Fingernägel, an denen ein Mädchen Stunden verbracht hat, echt so viel schöner als die natürlichen? – Hm.

Ich finde, man kann auch sehr gut schön sein, ohne dafür zu leiden. Und ich finde, oft ist das sogar noch schöner. Innerlich und äußerlich. Für mich und andere.

Ich sage übrigens nicht, dass man nicht ab und zu mal was unangenehmes tun darf, um schön zu sein. Mach ich ja ebenfalls. Solange man beachtet: Wer schön sein will, darf leiden. Aber er muss nicht. Sobald ich merke, dass ich das Gefühl habe, ich muss, gehen bei mir alle Alarmglocken an, und ich erinnere mich daran, dass ich auch so schon schön bin. Ich darf weitermachen und weiter daran arbeiten – aber ich muss es nicht, um schön zu sein. Weil ich so schon schön bin.

Und du übrigens auch.

Schlicht unverfälscht

Nicht genau so passiert.

„Hast du dich eigentlich schon mal geschminkt? Ich meine – so richtig?“, fragt die eine Frau, in der ich irgendwie immer noch nur eine älter gewordene Teenagerin sehen kann.
„Nein“, antworte ich wahrheitsgemäß. Meine Schminkerfahrungen beschränken sich auf Wimperntusche, Kajal, Concealer und Puder.
„Willst du mal so richtig geschminkt werden?“
„Okay“, antworte ich. Schaun wir mal.

Eine ganze Weile lang trägt sie verschiedene Mittel auf mein Gesicht auf, überlegt und vertuscht und hebt hervor, versucht nachzubessern und zu verändern. Schließlich ist sie so weit, schiebt mich vor den Spiegel. Stolz betrachtet sie ihr Werk.
„Schön“, sage ich. Und fremd, füge ich in Gedanken hinzu. Ganz fremd.

Ich gehe wieder auf mein Zimmer und schaue mich eine Weile im Spiegel an. Versuche, mich daran zu gewöhnen. Dann gehe ich zum Waschbecken und mache alles weg, die aufgetragene Veränderung, das Schönheitsideal, an das ich angepasst wurde, den ganzen Kram, der meine Haut kaputt macht, all das wasche ich ab, wasche ich weg. Mein Spiegelbild sieht wieder aus wie ich, ganz unverzerrt und ehrlich, die Macken und Kanten wieder offen und ungeschliffen, auf dass sich ruhig alle daran stoßen.

Als ich zum Abendessen komme, nimmt sie enttäuscht zu Kenntnis, dass ich ihre ganze Arbeit zerstört habe. „Fandest du es denn nicht schön?“

„Doch, es war schon schön“, antworte ich. „Aber ich mag mich so lieber.“

Ich bin schön.

Für Martin (*klick*)  und Luisa (*klick*). Danke, dass ihr mir zu dem Thema nochmal auf eine andere Weise die Augen geöffnet habt.

Ich bin schön.

Moment mal – guck doch mal in den Spiegel. Wie schief dein Mund ist. Deine Nase hat ne merkwürdige Form und ist zu groß. Du hast viel zu viele Pickel. Dein Gesicht hat gar keine Anmut!

Ich bin schön.

Und guck erst mal deine Figur an. Is nichts mit Modellmaßen! An dir ist doch nichts dran! Du siehst lange nicht feminin genug aus. Und du bist viel zu knochig. Du bewegst dich auch nicht hübsch. Zu eckig, zu zittrig, irgendwie komisch. Du hast so einiges zu kaschieren.

Ich bin schön.

Wenigstens solltest du dich schöner kleiden. Die Farben müssen besser abgestimmt werden und die Sachen müssen besser zu deiner Figur passen. Und schminken kannst du dich auch nicht vernünftig. So bist du doch nicht schön!

Ich bin schön.

Ich bin einfach schön!

Was ich schön finde

Persönliches Nein hierzu:

1. Lippenstift. Ganz ehrlich: Lippen haben Lippenfarbe zu haben. Wenn man diese ein wenig abändert – okay, kann ich mich mit anfreunden. Aber knallrot, babyrosa oder gar schwarz? Finger weg, bitte.

2. Colour-Blocking. Damit meine ich jetzt die Version, bei der man einfach nur Hinguckfarben anzieht, (die finde ich cool,) sondern die Version, wo sich alles schön beißt. Ich mag einfach nicht, wenn das nicht passt! „‚Augenkrebs“, haben wir früher gesagt. Vielleicht etwas zu gemein ;-)

3. Richtig hohe Schuhe. Ich gebe zu: Es gibt Frauen, die das tragen können und damit echt gut laufen können! Aber die allermeisten schwanken darauf rum wie ich früher auf Stelzen oder laufen wie ein Storch. Und das ist dann eher gut für die Belustigung anderer als für die eigene Schönheit ;-)

Persönliches Ja hierzu:

1. Selbstgemachte und selbstumgestaltete Sachen. Dafür! Werdet kreativ, malt eure Hosen an, schneidet was ab, näht was um, strickt euch was, wie auch immer. Gerade das Anmalen von Hosen finde ich einfach mega gut. Ich mag einfach dieses persönliche und kreative daran.

2. Frisuren. Ich mag einfach das Gestalten von Haaren. Ob Dreads (Dreads! <3), kreative Dutts, Zöpfe oder sonstige Frisuren und allen erdenklichen Formen – toll! Ich finde es echt schade, wie gleich und einheitlich viele Mädels aussehen. Es gibt so viele tolle Möglichkeiten, und trotzdem sehe ich fast nur schräges Pony, Seitenscheitel, etwas stufig und lang. Traut euch was!

3. Seelenstyling und -hygiene. Das klingt wieder so floskelmäßig, aber Schönheit ist nun mal keine reine Aussehenssache, sondern hat so viel mit den zu tun, was von innen kommt. Und wenn eine Frau von innen heraus schön ist, verkrafte ich auch schwarzen Lippenstift, einen gelb-lila Pulli und einen Gang wie bei Hochsee. ;-)

Keine Angst, ich werde das hier NICHT (niemals! bloß nicht!) zu so einem Mode-Lifestyle-Irgendwas-Blog machen. Das war nur so ein kleiner Exkurs. Meine Meinung zum Thema Mode generell lasse ich bei meinem Vorausblick auf das Modejahr 2014 durchscheinen. (Achtung! Leichte Anflüge von Sarkasmus und Ironie sind zu berücksichtigen!)

Musikmoment

In wundervoller Musik vollkommen verloren sitze ich hier. Irgendwie weiß ich noch, dass ich noch Hausaufgaben machen muss, duschen muss, bald ins Bett sollte, und frage mich, warum Menschen sich überhaupt noch ein Leben machen, wenn es solche Musik gibt. Völlig in einer anderen Welt. An einem geheimen Ort, der nur einige Minuten existiert. Der einem nur kurz Einlass gewährt. Wundersam. Es gibt keine Worte dafür.

Dieser Moment, den man nur mit Musik erleben kann, die man wirklich liebt, und wenn man sich in sie fallen und sich von ihr wegtragen lässt. In meinem Fall klick. (Ich entdecke gerade instrumentale Musik für mich. :-))

Ein Moment voller Frühling

(Ein Text vom 15. März 2011) 

Ich lasse mich aus der Bustür fallen. Früher bin ich noch gesprungen, inzwischen ist das aber eher in ein Plumpsen übergegangen. Meine Jacke habe ich gar nicht erst wieder angezogen, ich trage sie auf meinem Arm. Ein paar Schritte in der erfrischenden, kühlen Luft, die nach dem stickigen Bus eine echte Wohltat ist. Der Wind bläst mir frech ins Gesicht und ich muss meine Augen leicht schließen. Mir ist nicht kalt, denn die Sonne scheint zwischen den noch ziemlich kahlen Ästen und den vielen kleinen Knospen eines großen Baumes hindurch. Ich blinzle ihr entgegen und hole tief Luft, fülle meine Lunge mit Frühling. Mit Frühling.

Das ist der Moment, den ich mir seit Wochen erträume.