Ahnen-Forschung

Man, Leute, was lag ich falsch, als ich dachte, dass ich mit meinen Vorfahren nicht besonders viel zu tun hätte, außer dass ich zufällig in deren Abstammungslinie stehe.

An Weihnachten mal Großeltern zu deren Eltern und Großeltern interviewt und zu allem, was sie so aus der Abstammungslinie wissen. Und was finde ich da?

Charaktereigenschaften, Lebensweisen, Denkweisen von mir.

Ich bin stolz, die Urenkeltochter oder Ururenkeltochter dieser Menschen zu sein – vor allem der Frauen. Da sind so viele hochintelligente, kämpferische aber leider ziemlich mittellose Frauen gewesen – und jetzt bin ich da, und das ist irgendwie krass. Die Männer haben teilweise nicht so glorreiche Parts bekommen, aber was solls. Ein paar Gute sind auch dabei.

Es ist merkwürdig für mich, mich als Teil einer Abstammungslinie zu sehen, als Teil einer großen Familie, denn normalerweise stehe ich gerne ganz allein für mich selbst. Aber irgendwie ist es jetzt auch cool so.

Ich habe ein Erbe bekommen. Ich habe ein Erbe bekommen von diesen Frauen – meine Intelligenz. Das Kämpferische. Der volle Einsatz für die geliebten Menschen. Auch ich komme nicht gerade aus einer reichen Familie, aber ich habe Chancen. Mir stehen Wege offen, die sie damals nicht hatten. Und deswegen nehme ich das jetzt wahr – mein Erbe und meine Wege. Ich bin Teil dieses Ganzen, und ich will meinen Teil davon nicht in den Sand setzen.

Und ja, ich stehe ganz für mich selbst, aber ich trage auch die Lebensgeschichten meiner Vorfahren mit mir wie einen Siegelring, und das hat eine Bedeutung.

Bis du Bilder malst.

Du bist so vorsichtig, Süße. Ich sehe das an der Art, wie du im Unterricht auf deinem Collegeblock zeichnest. Oder wie du mit Leuten sprichst. Du willst keine Fehler machen. Am allerliebsten hättest du keinen gegen dich.

Und dann, manchmal, pikst dich irgendwo etwas, innen drin, und du fängst an zu diskutieren, stellst Fragen, kritisierst, und meist zu Recht.

Und dann – ist es wieder vorbei, und du bist wieder vorsichtig. Ziehst den Kopf ein und willst es nicht. Die Erwartungen deiner Eltern und von dir selbst – du willst zuverlässig sein, immer da, pflichtbewusst, das Beste geben für alle.

Wenn ich eine Feder hätte, mit der das ginge, würde ich dein Inneres kitzeln, bis du explodierst. Bis du ihnen allen die Meinung sagst. Bis du dein Verantwortungsgefühl und deine Perfektion nicht mehr auf die Erwartungen anderer richtest. Bis du mutig und furchtlos ein paar fette Fehler machst, dein Kinn hebst und die Welt angrinst. Bis du diese heiße, peinliche Scham feuerst und sie gnadenlos auf die Straße setzt. Bis du lachst, laut und offen und trotzig, weil du das gar nicht bist, zu was sie dich machen wollen.

Bis du beginnst, mehr du zu werden, wie du auch sein kannst, vielleicht wirklich bist, und Bilder malst, die du nicht kannst, weil dus kannst.

An alle

An alle, die kranke Menschen besser behandeln als gesunde.
An alle, die netter zu Bekannten sind, wenn sie erfahren, dass sie familiäre Probleme haben.
An alle, die Menschen, die eine schwere Kindheit hatten, bemitleiden und ach so sehr verstehen.

Das ist an euch.

Hört auf, Menschen gut zu behandeln, weil es ihnen schlecht geht.
Hört auf, damit deren schlechten Charakter zu rechtfertigen.
Hört auf, euer Handeln durch Mitleid bestimmen zu lassen.

Seid nett nicht, weil es jemand schwer hat,
sondern weil ihr nett zu allen seid.

… sondern weil ihr nett zu allen seid.

Macht euren Umgang mit Menschen nicht von deren Gesundheit, Kindheit oder Familie abhängig.

Es gibt Jungs

Jungs in meinem Alter gibt es viele. Doch es gibt welche, die sind einfach anders.

Sie haben einen aufrichtigen Blick. Das sind Augen, die dich nicht beobachten, um den neusten Klatsch aufzuschnappen oder um dich bloßzustellen. Das sind Augen, die an dir interessiert sind, wohlwollend und neugierig sind. Augen, in die du gerne siehst.

Ihre Gesichter sind nicht darauf getrimmt, Masken aufrecht zu erhalten oder dich zu täuschen. Das sind Gesichter, die dazu gemacht sind, die Welt und dich anzulächeln. Ja, auch ihr Lächeln ist ehrlich. Sie lächeln, weil du es bist.

Und hinter ihren Augen und ihrem Lächeln ist ein Charakter, dem du trauen kannst. Da will dich jemand persönlich kennen lernen, statt einfach andere auszufragen. Da kann auch mal einer schweigen, wenn etwas nicht für andere Ohren bestimmt ist. Da ist jemand mutig und macht den Mund auf, wenn er etwas mitteilen will. Er gibt sich nicht damit zurfrieden, ein Rudeltier zu sein und nur von seinen Gefühlen und den Ansichten anderer gesteuert zu sein. Er zieht dir den Stuhl zurück, wenn du die Hände voll hast. Er darf auch mal über dich lachen, weil du weißt, dass er es gut mit dir meint. Er steht zu seinen Freunden und verleugnet sie nicht, nur weil es irgendjemandem nicht in den Kram passt. Und er steht zu sich selbst und seinen Hobbys, Ansichten und Fähigkeiten. Er schämt sich nicht, weil er gerne singt oder ein Schreiberling ist. Er spielt dir nicht vor, jemand anderes zu sein. Und du kannst ihm auch nichts vorspielen, weil er es durchschaut. Du kannst dich mit ihm einfach unterhalten, und, auch wenn er nicht dein Freund ist, dich geborgen bei ihm fühlen, weil er ein Junge auf dem Weg zu einem echten Mann ist.

Ja, wirklich, solche Jungs gibt es.

Man muss sie nur erst mal finden.