Hochsensibler Moment (1)

(Ein Moment, den jeder mal erleben kann, der aber meiner Beobachtung nach typisch Hochsensibler ist.)

Sechs anstrengende Stunden Schule hinter mir, endlich kommt der Bus, der mich in das gelobte Land bringen soll – also nach Hause. Ich steige ein, und weil mir eine Freundin einen Platz frei gehalten hat, setzte ich mich zu ihr.

Sie ist eine sehr quirlige Persönlichkeit, die manchmal mehr redet, als die Polizei erlaubt. Nun ja, ich rede ja auch nicht gerade wenig, also darf ich mich eigentlich nicht beschweren. Nur leider werden Stimmern oft anstrengend, wenn der andere aufgedreht ist und man selbst geschafft.

Ich setzte mich also zu ihr, und sie beginnt zu reden.

Was hattest du heute? Ach so, du magst diese Frage ja nicht. Naja, also ich hatte gerade Deutsch bei Frau Irgendwas, und die ist so schlimm, ey, ne, wir sollen jetzt so ne blöde Gruppenarbeit machen und wir haben voll wenig Zeit und … blablabla … Oh, das Wetter ist so blöd! Immer genau dann, wenn ich reiten will, wirds schlecht … blablabla … Dann hatte ich heute noch das, dieses und jenes bei Herr X, Frau Y und Herr Z, kennst du die? … blablabla … Hahaha, voll lustig, muss ich dir noch erzählen, also: … blablabla … Du sagst so wenig. Bist du wieder müdeeee?

Eigentlich ja nur der übliche Smalltalk …

Aber mit jedem Wort sticht sie noch mal auf mein ausgelastetes Gehirn ein. Nach der Schule kann ich meistens einfach nicht mehr, mein Gehirn ist voll, da passt nichts mehr rein, schon gar nichts, wo es um Beziehungen geht. Bitte, da darf einfach keiner mehr irgendwas von mir erwarten, wenn ich nicht vorher eine Pause hatte! Mein Kopf beginnt zu pochen, ich entwickle eine starke Wut auf sie und fühle mich gleichzeitig irgendwie fies. Sie kann ja nichts dafür. Aber warum ist sie nicht einfach still? Weiß sie nicht, dass sowas mit mir nicht geht? Nein, natürlich weiß sie das nicht.

Und weil wir uns meistens nur nach der Schule sehen, begegne ich ihr regelmäßig nur mühsam beherrscht und gespielt interessiert, was sie natürlich mitbekommt. Aber was soll ich denn machen? Ich hab sie ja trotzdem total gerne. Ich hoffe, sie weiß das.

Irgendwann, endlich, komme ich aus dem Bus raus. Ich habe noch ihre Stimme im Ohr („Warum bist du immer so still und abweisend? Hast du was gegen mich?„) und fühle mich noch mal doppelt so geschafft.

Menschen sind anstrengend.

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PS: Das ist mein 100. Artikel, sehe ich gerade. Großes Danke an euch Leser und besonders an die, die sogar kommentieren! :-)

Ein Moment voller Frühling

(Ein Text vom 15. März 2011) 

Ich lasse mich aus der Bustür fallen. Früher bin ich noch gesprungen, inzwischen ist das aber eher in ein Plumpsen übergegangen. Meine Jacke habe ich gar nicht erst wieder angezogen, ich trage sie auf meinem Arm. Ein paar Schritte in der erfrischenden, kühlen Luft, die nach dem stickigen Bus eine echte Wohltat ist. Der Wind bläst mir frech ins Gesicht und ich muss meine Augen leicht schließen. Mir ist nicht kalt, denn die Sonne scheint zwischen den noch ziemlich kahlen Ästen und den vielen kleinen Knospen eines großen Baumes hindurch. Ich blinzle ihr entgegen und hole tief Luft, fülle meine Lunge mit Frühling. Mit Frühling.

Das ist der Moment, den ich mir seit Wochen erträume.