Die Schachpartie im Foyer einer Jugendherberge

… und wie das so ist mit den Mädchen und den Jungs und einer Sina, die nicht Mitläuferin sein kann.

Eine Erinnerung, die mich heute einfach so überkam.

Mit 12 Jahren war ich auf einer Kanufreizeit. Es waren insgesamt etwa 8 Mädchen und 20 Jungs da im Alter von 10 bis 14. Ich war mit drei ein wenig älteren Mädchen auf einem Zimmer, die zusammen gekommen waren und ständig über Leute redeten, die ich nicht kannte, oder in Abwesenheit der anderen ihre wundervolle „Freundschaft“ durch fiese Kommentare und Lästern übereinander bewiesen, was zwischendurch manchmal in ausgeprägten Zickenkrieg ausartete. Später fand ich raus, dass sie Hauptschüler waren – was mich irgendwie nicht wunderte.
In dem anderen Zimmer waren die ein bisschen jüngeren untergebracht, die vor allem Süßigkeiten aßen, sich über billige Vorteenie-Liebesromane unterhielten und dem für diese Zeit typischen Gruppenzwang hoffnungs- und ausnahmslos verfallen waren. Infolge dessen wurde ein fieser Kommentar der einen schnell die Meinung aller und Gerüchte entstanden schneller als sie ihre Chips in sich reinstopfen konnten.
Bereits eine halbe Stunde nach meiner Ankunft am Freizeitort beschloss ich, diesmal zurückzuschalten und Mitläuferin zu sein, so gut es ging. Ich befürchtete, dass ich so gar nicht zu den anderen Mädchen passen würde und wollte zumindest Ärger vermeiden. Leider klappte das nicht. Ich bin einfach keine Mitläuferin. Ich glaube, Menschen nehmen das irgendwie wahr. Vielleicht merken sie, dass ich mich nicht voll anpassen kann und oft Widerstand oder andere Überzeugung da ist, wo andere einfach übernehmen. Jedenfalls wurde ich auch so nicht wirklich Teil der Gruppe.

Ich war einsam. Ich weinte viel heimlich im Außengelände. Irgendwann knüpfte ich doch Kontakt zu einem Mädchen, zu einem der jüngeren, die etwas verwirrt war und ständig irgendwas vergaß. Freundschaft war das allerdings nicht.

Aber es gab ja immer noch die Jungs. Sie ließen sich meiner Meinung nach in drei Gruppen aufteilen: Die, die übertrieben pubertierend, laut und albern waren; die, von denen man einfach fast nichts mitbekam und die, die echt coole Typen waren. Obwohl ich weiter versuchte, mich irgendwie in die Gemeinschaft der Mädchen einzufinden, verbrachte ich immer mehr Zeit mit den Jungs. Wir fuhren jeden Tag Kanu – natürlich, war ja eine Kanufreizeit – und schon bald fand ich mich kaum noch in Mädchenbooten wieder. Entweder paddelte ich in Booten mit, wo ich den Jungs einigermaßen vertraute, oder ich bestand aufs Steuern. Und sie ließen mich. Was vielleicht auch daran lag, dass ich einfach steuern konnte. Aber ich glaube auch, dass ein paar der Jungs ein wenig irritiert und eingeschüchtert von mir waren. Trotzdem ernannten sie mich bei einem Geländespiel geschlossen zu ihrer Teamleiterin.

Nach der halben Woche setzte ich mich spontan beim Abendessen an einen Jungstisch. Das Essen war sehr lustig, glaube ich, aber die Mädchen starrten mich die ganze Zeit bedeutungsvoll an und tuschelten miteinander.
„Warum hast du dich nicht zu uns gesetzt?“, stellten sie mich später vorwurfsvoll zur Rede, als würde ihnen irgendwas daran liegen. Ich verstand sie einfach nicht und begann sie zu ignorieren. Ihre Kommentare erreichten kaum mehr mein Trommelfell. Es war anstrengend, und ich rechnete alle paar Stunden aus, wie lange es noch bis zu meiner Abreise dauerte.

Beim nächsten Abendessen fanden zwei Jungen und ich heraus, dass wir den selben virtuellen Schachtrainer hatten (Fred Fertig, die Kanalratte), und verabredeten uns für eine Partie. Wir sollten an diesem Abend aufräumen, doch für mich war das kein Problem, denn mein Teil des Zimmers war sehr ordentlich, hatte ich doch weder Zeit noch Lust gehabt, meinen Koffer auszuräumen. Die anderen Mädchen in meinem Zimmer hatten es da weit schwerer, doch das war mir egal. Die beiden Jungs hatten sich auch beeilt, und so trafen wir uns im ruhigen, offenen Foyer der Jugendherberge unter der Treppe an einem kleinen Tisch und versenkten uns in das Spiel.
Es war wundervoll. Wir waren konzentriert und gleichzeitig ein bisschen albern, fachsimpelten mit unserem Halbwissen und bauten ständig Insider aus dem PC-Spiel ein. Es war recht still dort unten. Nur aus der Küche kam noch leises Geschirrklappern und Wasserrauschen und ab und zu hörte man Türen. Unsere Stimmen verhallten leise in dem großen Raum. Immer wieder mal kamen Leute vorbei und sahen zu uns rüber, manche schauten uns ein paar Minuten zu, waren aber recht schnell gelangweilt, da sie nichts verstanden. Die schwarze Fensterfront ließ mich ein wenig schaudern. Ich genoss diese Partie zutiefst.

Bis … ja, bis die Mädchen aus meinem Zimmer kamen.
„Sina, wir haben dich überall gesucht. Wir sind noch nicht fertig mit aufräumen.“
„Ich schon.“
„Dann kannst du uns ja helfen. Ich finde, wir sollten das gemeinsam machen.“
Die Jungs und ich blickten uns genervt an.
„Was soll ich denn bitte machen? Ich hab vorhin geguckt, ob ich euch helfen kann, aber da gabs nicht viel. Soll ich eure BHs zusammen legen oder was?!“
Sie schnaubten und verschwanden unter irgendwelchen Beleidigungen, die mich vermutlich kränken sollten. Wir vergaßen sie sofort wieder und landeten wieder in unser eigenen Welt. Ich glaube, es war wirklich ein gutes Match.
Fünf Minuten später kamen sie wieder. Diesmal waren fast alle Mädchen dabei. Geschlossen bauten sie sich vor unserem Tisch auf.
„Sina, du stehst jetzt auf und hilfst uns aufräumen.“
„Nein. Ich habe meinen Teil getan und spiele jetzt dieses Spiel zu Ende.“
„Du kannst fegen und den Müll raus bringen. Jedenfalls spielst du jetzt hier nicht, während wir arbeiten. Du bist total asozial. Komm jetzt.“
„Nach diesem Spiel.“
„Nein, jetzt, Sina. Sofort.“
Ich seufzte. Sie würden nicht weggehen, bis ich kam, und die Aussicht auf ein paar weitere Tage mit ihnen auf einem Zimmer ließ meine sonst so mächtige und unerschütterliche Sturheit in den Hintergrund treten. Ich sah die Jungs an.
„Tut mir echt leid.“
Sie nickten mitleidsvoll. Sie gaben mich nicht gerne raus. Wir gaben uns die Hand, wie das zu einem guten Schachspiel gehört, selbst wenn es nicht zu Ende gespielt wird, und dann wurde ich von meinen Richterinnen abgeführt.
Ich fegte und brachte den Müll raus.

„Warum hängst du überhaupt so viel mit den Jungs rum?!“, motzten sie mich an.

Bis heute verstehe ich sie nicht richtig. Einerseits wollten sie mich nicht wirklich aufnehmen und schlossen mich immer wieder aus, aber andererseits hatten sie was dagegen, wenn ich mich von ihnen distanzierte und meine Zeit lieber bei den Jungs verbrachte. Waren sie neidisch? Ich weiß es nicht.

Ich frage mich, was passiert wäre, wenn ich mich selbst am Anfang nicht verleugnet hätte und nicht einen auf Mitläuferin gemacht hätte. Vielleicht hätte sich die Gruppendynamik bei den Mädchen ganz anders entwickelt. Was wäre gewesen, wenn ich mich den Aufforderungen der anderen Mädchen einfach widersetzt hätte und das Spiel zu Ende geführt hätte? Hätte ich gewonnen?

Als die Freizeit endete, saß ich mit einigen Jungs auf der Mauer zur Straße hin. Wir beobachteten die Autos und Eltern, die kamen, und unsere Gruppe schrumpfte langsam. Irgendwann kam der Vater, der die drei Mädchen abholte, mit denen ich ein Zimmer geteilt hatte. Er unterhielt sich einige Minuten mit mir, und ich war erstaunt, wie ein so netter und offener Vater so hinterhältige und fiese Kinder haben konnte. Ich witzelte mit ihm über die Freizeit und erzählte ihm ein bisschen was von dem, was so passiert war. Nichts schlimmes, nur Kleinigkeiten. Die Töchter hörten zu und zischten mir vor der Abfahrt noch zu: „Sowas kannst du doch nicht meinem Vater erzählen! Du spinnst.“ Ich glaube, da waren noch ein paar Beleidigungen drin. Ich wusste nicht, worauf sie sich bezog. Nichts von dem, was ich gesagt hatte, wäre gegen sie interpretierbar gewesen, und ich war mir ziemlich sicher, dass ihr Vater nichts gehört hatte, was ihn verärgert hatte.
Dann waren sie weg, und ich unterhielt mich in den letzten zehn Minuten, bevor ich los zum Bahnhof musste, noch mit einem Junge über mein vielgeliebtes Sommerlager, weil wir herausfanden, dass wir beide Freikirchler waren und er da eigentlich schon immer mal hinwollte. Ich begeisterte ihn dafür, und er versprach, zu kommen.

Dann ging ich zum Zug und ließ zickige Mädchen, Einsamkeit und eine frustriert abgebrochene Schachpartie mit tollen Jungs hinter mir.

Und als ich zu Hause ankam, war ich wenig erwachsener geworden.

Der junge, intellektuelle, moderne Mensch

Der junge, intellektuelle, moderne Mensch entspricht keinem Klischee.

Der junge, intellektuelle, moderne Mensch sagt, diese Sache mit Mann und Frau kann man ja gar nicht so eng sehen. Schwul und lesbisch ist normal. Oder auch bi. Man braucht sich ja nicht festlegen. Auch sein eigenes Geschlecht nicht. Kann man ja mal wechseln. Das ist alles ganz normal und natürlich. Sowieso sind Frauen und Männer eigentlich gleich. „Sexuelle Vielfalt“ nennt der junge, intellektuelle, moderne Mensch das und fühlt sich fortschrittlich, tolerant und abgeklärt.

Der junge, intellektuelle, moderne Mensch findet so Sachen wie Ehe echt überflüssig. Da geht doch nur Geld an den Staat, sagt er. Das ist nur eine institutionelle Sache. Sowieso: Ein Leben lang mit einer Person, das ist doch Quatsch. Er sagt: „Wir haben uns auseinander gelebt“, als würde das einen Sinn machen. Versprechen? Verbindlichkeit? Treue? Ihh. Lieber sammelt er sich so seine Beziehungen zusammen. Alter und Geschlecht sind keine Grenzen, natürlich nicht. Wer auf so etwas Wert legt, ist konservativ, spießig und prüde.

Der junge, intellektuelle, moderne Mensch glaubt. Entweder an den Atheismus, oder aber er sammelt sich zusammen, was ihm interessant erscheint. Ein Buddha im Wohnzimmer, ein indianisches Götterzeichen als Kette, vor dem Examen wird gebetet, nach dem Tod wird wiedergeboren. Oder doch ganz anders. Was ihm hilft. Er ist dies und das, und eigentlich haben ja eh alle Religionen denselben Gott, und jeder kommt in den Himmel. Außer Hitler natürlich.

Der junge, intellektuelle, moderne Mensch findet alle Politiker kollektiv scheiße, obwohl er außer ihrem Gesicht, ihrem Namen und dem durch die Presse verzerrten Bild nichts von ihnen weiß. Er wettert laut gegen NSA und Überwachungsstaat, Telekom und das System. Der junge, intellektuelle, moderne Mensch ist dagegen. Ja, gegen was? Manchmal ist das nicht so ersichtlich. Vor allem, weil das „dagegen“ in der Regel nur bis zu den Stimmbändern und nicht bis zu den Händen reicht.

Der junge, intellektuelle, moderne Mensch bezeichnet sich als tolerant. Er ist weltoffen, international und gebildet. Er kann diskutieren und ist aus Prinzip gesellschaftskritisch. Und irgendwie, merkwürdiger Weise fühlt er sich, als hätte er eine ganz eigene Meinung und wäre mit seinen Ansichten irgendwie etwas besonderes. Er fühlt sich, als gäbe es da noch einen Kampf zu schlagen und als müsste er noch für diese Meinung kämpfen. Ich weiß nicht so genau, wie er darauf kommt. Seine Schimpfwörter sind „homophob“, „FDP“, „konservativ“, „intolerant“, „diskriminierend“ und „Nazi“. Er ist jung, intellektuell und modern, und ehrlich gesagt liegt er ziemlich genau im Trend der Zeit, ohne auch nur ein bisschen davon abzuweichen.

Ich bin auch jung. Mein Intellekt ist eine meiner Stärken. Und irgendwie bin ich auch modern. Aber ich würde diese Gender-Sache und diese sexuellen Kreativitäten wesentlich kritischer betrachten. Ich setze auf die Ehe. Ich habe einen, und nur einen, aber dafür konsequenten Glauben. Ich weigere mich, Politiker oder das System zu beurteilen. Und ich halte „Toleranz“ für einen Mythos.

Ich bin nicht altmodisch. Ich frage mich nur, warum der neuste intellektuelle Trend Recht haben sollte, wo doch alle früheren irgendwann durch den nächsten revidiert wurden und dann doch nicht mehr so toll waren. Ich frage mich, ob ich mich in meinem Intellekt wirklich von meiner Zeit steuern lassen will. Ich frage mich, ob ich allem zustimmen muss, was auf den ersten Blick logisch aussieht, aber doch ein mulmiges Bauchgefühl mit sich bringt. Ich frage mich, warum meine Generation auf einmal die Wahrheit mit Löffeln gegessen zu haben meint.

Sie werden irren. Genauso wie alle Generationen zuvor.
Genauso – wie ich auch.

Meine Generation, oder: Jugendlich sein

Gespalten. Alles anders und alles gleich.

Verschiedene Ideale, verschiedene Realitäten.

Ein Ideal: Spaß haben. Feiern gehen. Geile Musik, sexy Kleider, schöne Menschen. Alkohol, Rauchen, Drogen. Alter, ist das Leben geil. Bin ich zu dick? Wie wirke ich aufs andere Geschlecht? Eltern spielen keine große Rolle mehr, das wichtigste sind Freunde. Hobbys haben, viel in sie investieren. Beziehungen kommen und gehen. Liebesfilme. Man streitet sich, man verträgt sich. Man fährt zusammen in den Urlaub. Fotos, viele, viele Fotos. Und Facebook. Natürlich. Schließlich sind wir die erste echte Genetation Internet. Glücklich sein. Spaß haben.

Anderes Ideal: Ehrgeizig sein. Zielstrebig. Gute Noten, unbedingt. Der NC ist nicht gerade gnädig. Dann lerne ich eben. Studium, Berufsschule, Ausbildung? Hm. Erst mal Abi. Gute Klausuren schreiben. Sich ausprobieren. Vielleicht noch irgendeine AG. Vielleicht Nachhilfe geben. Vielleicht noch irgendwo sozial engagieren. Es geht um Zukunft, meine Zukunft.

Weiteres Ideal: Moral. Wir verändern. Atomkraft, Acta, Massentierhaltung, Rassismus – schlimm, schlimm, sowas. Diskutieren, analysieren, protestieren. Wir blicken durch. Wir wissen, wie es läuft und wie es laufen muss. Konfrontieren, argumentieren, demonstrieren. Intellektuelle Ebenen, Fachwörter – oder auch gerade nicht. Sehr überzeugt sein von seiner Sache. Ich verstehe, wovon du keine Ahnung hast, sei besser meiner Meinung.

Noch ein Ideal: Familie. Mamas und Papas Vorstellungen entsprechen. Ihren Idealen nachfolgen. Sie geben mir Wert. In ihre Themen, ihre Hobbys, ihre Kreise reinrutschen. Mama kocht am besten. Verantwortung für Geschwister.

Noch ein anderes Ideal: Individualität. Andersartigkeit. Ich bin nicht wie die anderen. An mir ist etwas anders, vielleicht besser. Meine Musik, mein Kleidungsstil, meine Ideale, meine Meinung, mein Lebensstil, meine Freunde, meine Hobbys. Sich irgendwie abheben. Und wenn es nur etwas kleines ist. Sich abgrenzen. So bist du und ich nicht, so bin ich und du nicht. Identität durch Unterschied. Ich entspreche keinem Modell. Gleichgesinnte und Zugehörigkeit im Anders-sein finden. So sind wir und alle anderen nicht, so sind alle anderen und wir nicht.

Die Realität?

Hülsen. Spaß-Hülsen. Freude, Freundschaft, Beziehung, die nur das Innere betäubt, statt es auszufüllen. Sich an anderen orientieren, sich mit ihnen vergleichen, um richtig zu sein. Ehrgeiz, um Sicherheit zu bekommen. Abgrenzen, um vor der Bedeutungslosigkeit zu fliehen. Diskutieren, um alles wegzurationalisieren, was mein Herz sagt und was mir nicht gefällt. Selbst emotional an die Familie gefesselt aus Angst vor Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Unsichtbarkeit. Rasiermesser durch Fleisch: Ich hasse mich. Wer bin ich denn überhaupt? Selbstmordgedanken, Essstörung, Selbstverletzung, Selbsthass, Bedeutungslosigkeit. Allein gelassen. Innerlich verwahrlost. Masken, die bei den inneren Tränen nur schwer aufrechtzuerhalten sind. Wie glücklich ich bin, soviel bin ich wert. Ich habe Spaß. Es geht mir gut. Während das Herz „Nein!“ schreit. Aber wer versteht mich schon wirklich?

Oder darüber stehen. Eigentlich. Den Zugang zu dem, was in mir ist, irgendwie jetzt schon verloren haben. Es ist doch alles okay, oder? Fehlt mir was? Und wenn ja, was? Es wirklich nicht wissen. Alles viel zu kompliziert. Keine Zeit, zu denken. Irgendwas ist immer, zu viel für den Zeitplan und den Kopf, aber nie genug für das Herz. Ja, aber was ist mit dem Herz denn jetzt überhaupt? Sich mit anderen Dingen beschäftigen.

Oder man hat den Zugang zu sich selbst noch. Man versteht. Man weiß das alles, die Ideale, die Realität, wie das bei einem selbst aussieht. Man hat sich analysiert, man hat die Situation analysiert. Es ist klar, was falsch läuft. Es geht mir schlecht, und ich weiß, warum. Aber ich ändere es nicht. Antriebslos. Zurückgestellt. Verharren, wo man ist. Die Veränderung passiert nicht. Irgendwie betäubt und tot, und irgendwie auch überhaupt nicht.

So oder so ähnlich ist das, irgendwie so sieht es aus. Das ist, was mein Blick sieht. Antworten gibt es zu viele, als dass die wahren gesehen würden. Und die meisten wollen auch gar keine Antworten mehr hören. Zu viel Müll, zu viel Lügen, zu viel Selbstbetrug. Die Fragen zu wenig ernst genommen. Vertrauen verloren. Die Jugend ist doch die schönste Zeit im ganzen Leben, ne?

Ganz ehrlich?

„Leben“, sagte Marvin, „erzähl mir bloß nichts vom Leben!“

___
* aus: ‚Per Anhalter durch die Galaxis‘ von Douglas Adams

Kontaktanzeige

15-jähriges Mädchen sucht Christen im Alter von 14 bis 19 Jahren aus meiner Gegend zum regelmäßig treffen, Quatsch machen, Freundschaften aufbauen und zusammen Gott begegnen. Fähigkeit zu intensiven Gesprächen sowie der Hang zu rustikalen Sommerlagern erwünscht.

Ich will mit euch Schlittschuh fahren und Schwimmen gehen, Picknicken und Klettern. Ich will mit euch kreative Ideen entwickeln und einfach alles mal ausprobieren. Ich will mit euch rumalbern oder nur mal labern. Ich will mit euch Jugendgottesdienste machen, bei denen wir mal richtig für Gott tanzen können, weil ab 25 kann man das ja nicht mehr, hab ich erfahren. Ich will mit euch Worshipabende machen, beten, die Welt verändern. Ich will mit euch zusammen wachsen. Ich will euch, damit wir auf einer Stufe, einer Ebene einfach zusammen leben können.

Damit ich jemanden habe, der so manches versteht, was man später nicht mehr verstehen kann. Damit ich jemanden habe, der da drin steckt, wo ich auch gerade bin. Damit ich Leute habe, die sich nicht mehr groß in meine Welt hineindenken müssen, weil es auch ihre ist. Damit ich Leute habe, mit denen ich Träume teilen kann. Damit ich Leute habe, denen ich nicht „so jung“ vorkomme. Damit ich endlich mal Leute habe, die wirklich Freundschaft mit mir aufbauen wollen. Weil das dann alles einfach mehr bringt. Weil wir dann mehr Spaß haben. Weil mir diese Form von Freundschaft, Gruppengemeinschaft und Zusammengehörigkeit einfach fehlt.

Man, mir fehlt echt ne Jugend.

Hallo, ich bin klein

Hallo, ich bin Sina, und ich bin klein.

Also von der Körpergröße bin ich ganz normal. Ich bin nur jung. Und weil „jung“ irgendwie so relativ und dehnbar klingt, sag ich jetzt klein. „Zu jung“ lässt sich wegargumentieren, „zu klein“ ist „zu klein“.

Es hat sich irgendwie so ergeben, dass ich in einigen Bereichen von anderen Leuten sehr schnell als ziemlich reif und erwachsen eingestuft werde. Viele beginnen mich dann zu behandeln, als wäre ich erwachsen, stellen Erwartungen, als wäre ich erwachsen, und übertragen mir Verantwortung, als wäre ich erwachsen. Sie wollen mich zu einem von den großen Leuten machen. Und dann muss ich sie daran erinnern, dass ich noch klein bin. Ja, so sehr wollen sie mich manchmal groß machen, dass ich selbst die Grenzen setzten muss und „zu klein!“ schreien muss, obwohl das eigentlich genau andersrum sein müsste.

Klein heißt schutzbedürftig. Klein heißt hilfebedürftig. Klein heißt „braucht Geborgenheit“. Klein heißt „alles muss erklärt und gezeigt werden“. Klein heißt „aufpassen, dass sie nichts anstellt“. Klein heißt „darf noch nicht alles“. Klein heißt „macht Quatsch“. Klein heißt „probiert sich aus“. Klein heißt „muss wachsen“. Klein heißt „noch nicht groß“.

Ich bin zwar auch stark, und ich bin zwar auch manchmal ziemlich groß, aber oft bin ich eben auch klein. Ja, da brauchst du gar nicht so zu gucken. Das ist so. Mit fünfzehn ist man auch noch klein.

Lasst mich klein sein. Lasst mich Kind sein, solange ich noch eins bin.

Eigentlich

Eigentlich sollte ich abends versuchen, in Discos reinzukommen.
Eigentlich sollte ich es für erstrebenswert erachten, von Jungs heiß genannt zu werden.
Eigentlich sollte ich Modellmaße anstreben.
Eigentlich sollte ich DSDS und Germany’s Next Topmodel gucken.
Eigentlich sollte ich nie ungeschminkt aus dem Haus gehen.
Eigentlich sollte ich ständig hohe Schuhe tragen.
Eigentlich sollte ich meine Freunde alle paar Monate mal wechseln.
Eigentlich sollte ich es wichtig finden, von allen gemocht zu werden.
Eigentlich sollte ich mich bei anderen über meinen Ruf erkundigen.
Eigentlich sollte ich mich schämen, weil ich Single bin.
Eigentlich sollte ich schon mit mindestens zwei Typen Sex gehabt haben.
Eigentlich sollte ich es bedauern, dass das nicht der Fall ist.
Eigentlich sollte ich 16 werden wollen, um Bier kaufen zu dürfen.
Eigentlich sollte ich Alkohol, Zigaretten und Drogen interessant finden.

Eigentlich sollte ich eine ganz normale 15-jährige sein.
Bin ich aber nicht.