Joe

Wenn ich dir total aufgeregt von Erlebnissen oder Erkenntnissen erzähle, bist du definitely not impressed. Dann schaust du mich an: „Ja. Sina – überrascht mich nicht.“ Oder: „Joa. Stimmt.“ Und manchmal regt mich das auf – weil das ist so cool, verstehst du das denn nicht! – aber es erdet mich auch. Und wenn es mir nicht gut geht und ich Angst habe oder Sorgen oder irgendwas, tut es auch echt gut, dass du so unbeeindruckt bleibst.

Wenn ich irgendwo hingehe, bleibst du oft zu Hause. Wo ich unter Menschen bin wie ein Fisch im Wasser, ziehst du dich lieber zurück und hast schlaue Gedanken. Und du fährst mich. Weißt du eigentlich, wie neidisch Leute werden, wenn ich ihnen erzähle, dass du so gut wie immer bereit bist, mich abzuholen?

Und wenn du schlaue Gedanken hast und sie mit mir teilst, dann entstehen oft die besten Gespräche. Deine Sicht von der Welt ist echt einmalig und tut den Menschen um dich rum gut, weißt du das eigentlich? Als es darum ging, dass man dich zu allem möglichen immer gerne fragt, sagte letztens jemand: „Aber Joe hat halt auch immer was dazu zu sagen.“ Und das stimmt. So unerschütterlich fest und klar, unangreifbar von Manipulation, stehst du damit da wie so ein Fels. Und man merkt: Joe ist da.

Wenn ich sehe – wir sehen – wie du mit Mädchen umgehst, dann wird mir warm. Auch wenn das gar nicht deine Absicht ist, setzt du ein Zeichen dafür, dass sich Mädchen nicht unter Wert hergeben, setzt gesunde Standards. Du beweist, dass wir Mädels uns nicht mit dem Nächstbesten zufrieden geben müssen, dass wir des Wartens wert sind, und dass Beziehungen Zeit haben. Du bewirkst dadurch, dass du mehr und mehr zu einem echten Mann wirst, dass die weiblichen Personen um dich herum mehr in ihre Identität als Frau hineinwachsen – allen voran ich.

„Joe, wie ticken eigentlich Jungs bei ….“ ist momentan eine meiner Lieblingsfragen an dich. Und wie cool ist das den bitte, dass da jemand ist, dem ich die alle, alle stellen kann? Oder auch: „Also, da ist da dieser Junge, und so ist das gerade, und ich weiß nicht wegen hier und da…“ Und deine Worte da als Bruder, der sowohl die Männerseite als auch mich sehr gut kennt, haben da einfach einen ganz anderen Wert als die jeder Freundin.

Manchmal bist du aber auch echt Comic-Figur-tauglich. Du wohnst in einem Verschlag in der Wand. Gut, er hat eine Tür, aber mit Bett und Schreibtisch ist das Ding voll, sodass sein Kleiderschrank auf dem Flur steht. Du sitzt manchmal völlig verpeilt am Tisch und überlegst fünf Minuten lang, was du auf dein Brot schmieren könntest. Du trinkst so viel Milch wie drei Kälbchen zusammen und stapelst gern mal 20, 30 Milchpackungen in deinem Zimmer. Du vergisst regelmäßig, Geschirr wieder in die Küche zu räumen und hast in der ganzen Oberstufe zusammengerechnet vielleicht drei Mal Hausaufgaben zu Hause gemacht. Und du hast Dreads. Wenn das mal nicht Comic-Style ist! Und Segelohren. Zumindest eins. Aber das weiß ja keiner mehr, seit du Dreads hast.

Du kapierst gar nicht, warum viele Menschen so einen Respekt vor dir haben und dich so hoch achten, und wenn du ehrlich bist, ist dir das auch eher egal.

Wenn du ehrlich bist, sitzt du am liebsten in deinem Wandverschlag am PC und denkst.

Und ich mag dich so, mein großer Bruder.

Dialog

„Sina? Hast du Chips oder so? Irgendwas salziges.“
„Nö.“
„Gehst du zum Edeka und kaufst was?“
„Nö. Geh du doch und bring mir was mit.“
„Nö.“
„Ich muss noch Wäsche aufhängen.“
„Dann häng ich für dich Wäsche auf und du gehst zum Edeka.“
„Nö. – Okay, doch.“

„Warte mal. Ich geh zum Edeka und du hängst Wäsche auf und machst den Meerschweinchenkäfig.“
„Nö.“
„Okay, nur den Meerschweinchenkäfig.“
„Nö.“
„Nö.“
„Nö. – Okay, doch.“
„Gut. Krieg ich dann jetzt Geld?“
„Nö.“
„Für die Chips.“
„Okay, doch.“

„Du bist ja immer noch nicht los.“
„Nö.“
„Ich will Aufpreis für die Verspätung.“
„Nö.“
„Nö?“
„Nö. – Okay, doch. Ich renne bis zur Hausecke.“
„Okay. Das gibt mir die Illusion, dass du dich beeilst.“
„Genau.“

Großbruder live & in action – naja, fast live

Es gibt ein altes Anekdotenbuch, in dem hauptsächlich Großbruder und auch ich vorkommen. Da sind ein paar wunderschöne Sachen dabei, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Großbruder ist zwei Jahre älter als ich.

1. Großbruder ist vier Jahre alt, ich zwei. Diskussion auf dem Weg zur Gemeinde.
Er: Gott ist Gott.
Ich: Nein.
Er: Doch. Gott ist unsichtbar.
Ich: Nein. Ich bin Gott.
Er: Sina sagt alles falsch. Gott ist Gott und Gott ist unsichtbar, stimmts? Wenn Sina groß ist, wird sie das noch lernen.
(Wie Recht er hatte…)

2. Großbruder hat mit vier Jahren noch andere schlaue Sachen gesagt, zum Beispiel:
„Alle Menschen haben einen Popo, selbst Frauen.“

3. Außerdem war er sehr rücksichtsvoll. Hier war er fast fünf.
Er und ich machen uns Gedanken zu irgendeinem schwierigen Thema.
Er: „Soll ich mal für dich nachdenken?“

4. Manchmal glaube ich, „Kleine Kinder“ definiert jeder, wie er will.
Großbruder mit vier Jahren, nachdem ich ihn geärgert habe:
„Wie kommt das eigentlich, dass kleine Kinder so frech werden.“

5. Er mit fünf auf dem Weg zurück vom Urlaub:
„Ich bin froh und ich bin traurig. Man kann beides gleichzeitig fühlen, aber man kann nicht beides gleichzeitig zeigen.“ – und schluchzt.

Und jetzt gerade höre ich ihn durch zwei Türen und einen langen Flur in durch sein Headset schreien, weil er gerade am zocken ist. Und nächste Woche schreibt er zwei LK-Klausuren.

Zeiten ändern sich.

Made my day:

Großbruder, als er bei YouTube ein Video mit einer schlechten Qualität aufruft:

„Boah, das sieht aus wie mit einem Toaster gefilmt!“

:D

midnight dinner

SMS Annika: „[..] Gute Nacht“

SMS ich: „Gute Nacht? Gehste schon ins Bett? In den „Ferien“ um 10?“

SMS Annika: „[…] Aber nein, ich geh noch nicht ins Bett. Aber inner halben Stunde oder so. Du?“

SMS ich: „Wahrscheinlich eher elf oder so […]“

Elf Uhr.

Großbruder kommt in mein Zimmer. „Boah, Sina, ich hab gerade voll Bock auf Fleisch.“

In unser Wohnung befindet sich, wie wir nach längerem Suchen feststellen mussten, nur ein kleines bisschen Tiefkühlfleisch.

„Brate doch einfach Schinken und Salami.“

„Haben wir Lauch?“

„Nimm doch Zwiebeln.“

Die musste ich dann noch für ihn würfeln, weil er das nicht kann. Also, alles in die Pfanne.

„Das räumst du aber später alles wieder auf, ne, Großbruder?!“

„Jaja. Och, ich glaub, ich trink noch ein Kaffee.“

„Dann kannste nicht schlafen.“

„Will ich das denn? :)“

Kurze Zeit später.

„Oh. Die Zwiebeln werden schwarz.“

Halb zwölf: Die Küche stinkt (oder riecht, je nach Definition), Großbruder isst gebratenen (oder eher frittierten, bei dem ganzen Fett) Schinken und Salami mit schwarzen Zwiebeln. Wir sind nur noch am kichern.

Heute.

Annika: „Na, warste gestern um elf im Bett?“

Ich: „Oh, ähm, nee, musste mit Großbruder spontan noch Schinken und Salami braten…“