Wie ich nicht bin

Der Witz ist, dass ich gar nicht so bin. Also – gar nicht.

Dude. Ich bin anders. Ich bin kein Trampel, ich bin nicht ungeschickt. Ich bin kein Party-Verweigerer. Ich bin nicht ewig pseudo-tiefgründig. Ich bin keine Problemtante. Und ich bin auch kein Schleimer. Und kein Laberer. Und vor allem bin ich nicht so völlig raus aus der Realität, wie du zu meinen scheinst.

Dude. Ich bin nicht so, wie du denkst: Streber, fleißig, gute Noten, Schleimer, Alleskönner und Nichtswisser in der normalen Jugendwelt. Ich bin nicht so brav, wie du meinst, nicht so ahnungslos und dumm. Und ich bin nicht so willig für Alkohol und Sex, wie du von mir erwartest.

Dude. Ich bin auch keine große Heldin mit Antworten auf alles. Ich bin nicht perfekt und ich bin auch nicht vorbildstüchtig. Und nicht so weise, wie du manchmal meinst. Was du von mir erwartest, kann ich doch niemals stemmen. Ich bin auch nur eine Schülerin mit Fehlern.

Dude. Ich bin fünfzehn. Ich weiß, dass du das weißt. Nur, weil ich angeblich so reif für mein Alter bin, bin ich aber trotzdem noch fünfzehn und will trotzdem manchmal so bescheuert sein, wie man es nur in meinem Alter kann. So: nicht Kind, nicht junger Erwachsener-bescheuert. Dann brauchst du gar nicht so zu gucken.

Ihr müsst mich schon lassen, wie ich bin. Wenn ihr ein vorgefertigtes Bild von mir habt, macht ihr mich zu dem, als den ihr mich sehen wollt. Aber ich bin nicht so, und ihr seht das nicht.

Ich bin nicht so.

Bauarbeiterin sein

Es tut mir leid, dass ich schon länger nicht mehr geschrieben habe, aber mein Leben ist momentan voller Baustellen.

Zum Beispiel die Baustelle Zeitplanung. Für mich gibt es nicht viel, was schwerer ist als Zeitplanung. Okay, eigentlich ist die Zeitplanung ganz leicht. Ich bin „nur“ zu blöd zum Umsetzten. Irgendwann muss ich es lernen. Ich muss es doch irgendwann mal hinkriegen können, meine Hausaufgaben Nachmittags zu machen und morgens pünktlich aufzustehen und nicht ein von drei Malen den Bus zu verpassen!

Andere Baustelle: Strebercamp. Eliteförderung Deutschlands hätte mich gern dabei. Ich wäre auch gern da, allerdings ist genau in der Zeit auch Familienurlaub und Hochzeit von der Wegweiserin. Drei Termine auf einmal. Wenn das Strebercamp mich nimmt, kann ich dann einen Tag fehlen um zur Hochzeit zu gehen? Und wie überquere ich 2 Stunden Fahrt ohne Chauffeur oder Führerschein? Und wenn Strebercamp mich nicht nimmt und ich mit meiner Familie Urlaub mache, kann ich dann meine Familie dazu bringen, zwei Tage später zu fahren? Und – soll ich Strebercamp vielleicht doch nicht machen? Das ist doch doof. Einmalige Chance. Trotzdem.

Nächste Baustelle: Arbeiten, Tests, Klausuren. Uäh. Will nicht. Ist keine längere Ausführung wert.

Noch ne Baustelle: Kirche. Bald haben wir keine Räume mehr. Und dann bleibt nur noch Hauskreis und Gottesdienst in einer Hauskirche oder in einer anderen Kirche. Wann gehts weiter? Und wo? Und wann wird sich der Hauskreis endlich richtig einpendeln?

Baustelle Freunde. Der eine Brief liegt schon drei Monate unbeantwortet bei mir rum. Der Freundin, der ich mailen wollte, hab ich immer noch nichts geschrieben. Mit noch einer anderen Freundin wollte ich mich doch treffen – nichts geworden. Und Enna auch. Und Eva. Ich bin in letzter Zeit keine sehr zuverlässige Freundin… Was für ein Frust. Ich will ja doch eigentlich.

Baustelle Praktikum. Demnächst gehts los. Das wird irgendwie entscheidend. Ich werde heraus finden, ob ich das später mal (oder was in die Richtung) werden will oder nicht. Und ich hab Angst, weil geistig chronisch kranke Menschen schwierig sein können und ich manchen Situationen vielleicht nicht gewachsen bin…

Baustelle ich. Betreten verboten – diese Baustelle ist geheim und verwirrend. Nichts für dich also.

Oh man, wie soll man nur an so vielen Baustellen gleichzeitig bauen? Das geht doch gar nicht. Und für „eines nach dem anderen“ ist keine Zeit. Wenn ich Zeitplanung drauf hätte, würden sich die anderen Probleme minimieren oder zumindest würde es sie erträglicher machen…

Hey, als Kind wollte ich doch Bauarbeiter werden. Jetzt bin ichs. Yeah.