Genug

Heute habe ich über mich gedacht:

Bin ich gut genug? Ist das, was ich bringen kann, wer ich bin, gut so? So viel ist da falsch in mir, kaputt in mir, und ich selbst kann das nicht reparieren. Ich weiß nicht, wie das geht.

Heute bin ich unterwegs gewesen. Ich habe einen vertrockneten Bach gesehen, bin zwischen Windrädern spazieren gegangen, war später nachts noch draußen in der Dunkelheit. Worte, Worte mit Menschen, und ich bin nicht mehr einfach nur ich, sondern ein Gegenüber, habe ein Gegenüber, und wer immer ich bin, was immer ich tue, das bleibt nicht bei mir. Das macht etwas mit dem Menschen, mit dem ich unterwegs bin. Das baut auf oder zieht hinunter.

Ich stehe nicht für mich alleine. Ich bin Teil von etwas.

Heute habe ich über mich nachgedacht, und heute wusste ich:

Nein, genug bin ich nicht. Nicht genug, um nicht zu verletzen. Um es alles richtig zu machen. Das kann ich nicht.

Aber ich bin genug. Denn ich weiß, dass ich schwach bin. Ich weiß, dass ich Dinge falsch mache. Ich weiß, wie man um Vergebung fragt und selbst vergibt. Ich kann mein Bestes geben. Ich weiß, wer ich bin und was ich gut kann – so einigermaßen zumindest. Ich kenne den Ort für alle meine Sorgen und alle meine Angst, weiß zu wem ich die Scherben bringen muss, wenn etwas kaputt gegangen ist.

Ich bin genug, denn Jesus hat mir genug gegeben und gibt mir jeden Tag neu genug. Er ist genug. Darum bin ich es.

Hinterfragt und aufgewacht

„Aber warum wollen Sie sich denn verändern?“,

fragt mich mein ehemaliger Deutschlehrer auf der Abiturentlassungsfeier. Was diesen Menschen unter anderem ausmacht, ist sein Hinterfragen von Dingen, die sonst irgendwie keiner hinterfragt. Ich habe ihm gerade von meinem Auslandsjahr erzählt und nebenbei erwähnt, dass ich verändert zurück kommen will. Und dann stellt er mir diese Frage.

Und ich bin sprachlos.

Irgendwie war das immer einfach so klar. Auslandsjahr heißt sich entwickeln. Alle sagen immer, so etwas ist total die prägende Zeit und so. Ich wollte das einfach auch.

Ich merke, wie unzufrieden ich mit mir bin. Die Art und Weise, wie ich mich benehme, wie ich wirke, wie ich mit meinen Gefühlen umgehe, was für eine Freundin oder Schwester ich bin, mein Egoismus, mein Trotz, mein Selbstwert… Das ist alles noch nicht so, wie ich das will. Ich bin das oft nicht gerne. Ich will mich entwickeln, um zufriedener mit mir zu sein. Außerdem kann man mit einem Auslandsjahr gut angeben und dann kriege ich Anerkennung. Auch das macht dann, dass ich zufriedener mit mir bin.

Irgendwo in mir zieht etwas ziemlich skeptisch die metaphorische Augenbraue hoch.

‚Warum wollen Sie sich denn verändern?‘, klingt es nach in meinem Herz. So viel, was in dieser Frage mitschwingt.

So viel Wertschätzung. So viel: ‚So, wie du bist, ist es doch gut.‘ Und auch, wenn mir das nicht zwingend gefällt, macht diese Wertschätzung sehr viel mit mir. Aber da ist noch mehr. Diese schlichte Frage malt ein großes Fragezeichen hinter mein immer weiter kommen wollen, immer reifer werden wollen. Hinter meine rastlose Jagd nach dem, wer ich gerne wäre, aber einfach nicht bin. Hinter meine Selbstkritik.

Ich seufze. Kaum hat man mal was, was ausnahmsweise mal alle toll finden, und schon taucht ein fast vergessener Mensch auf, stellt alles in Frage und hat damit auch noch Recht.

Natürlich werde ich gehen. Ich glaube, ich muss nur vorher noch mal gründlich bei meinen Motiven aufräumen.

Als ich mich später von meinem Lehrer verabschiede, sagt er zu mir: „Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit und verändern Sie sich nicht zu sehr!“ Ich grinse. „Ich werd mich bemühen!“ Und dann ist er weg, der weise alte Denker mit seinen Fragen, lässt mich zurück mit einer gesunden inneren Unruhe – einer Unruhe, die weiß, dass Selbstannahme nicht auf Veränderung beruhen kann.