Wie weit weg bist du wirklich?

Du wartest auf mich hinter meinen Augenlidern. Mit geschlossenen Augen kann ich dir ins Gesicht sehen und ich lege all meine Liebe in diesen Blick. Da bist du immer, bist die ganze Zeit mir vor Augen. Und ich weiß, ich fühle es, wie auch du mich im Blick hast, immer wieder nach mir siehst und zu mir rüberschaust. Ich schließe meine Augen hier und du schließt deine Augen dort und dann sind wir im Blickkontakt, unsere Herzen sind in Blickkontakt. Bitte hör nicht auf, mich so anzusehen.

Und bitte erzähl mir was. Von dir. Von allem. Du erzählst mir von dir dort und ich erzähle dir von mir hier. So anders, so verschieden, wie Strophen eines Liedes, und solange immer wieder der Refrain kommt – das sich mögen und aufeinander freuen und aneinander denken – solange immer noch ein Refrain kommt, solange geht es mir gut. Wir gehen gerade zwei verschiedene Wege, doch aufeinander zu, sie führen zum selben Ziel, zum selben Punkt: Zusammen. Blickkontakt mit offenen Augen und kein Millimeter Abstand zwischen uns.

Noch liegen ein Dutzend Länder mit einem Dutzend Sprachen und einem Dutzend Kulturen zwischen uns, aber wie weit weg bist du wirklich, wenn mein Herz dein Herz sieht und dein Herz mein Herz versteht und dein Herz sich auf mich freut und mein Herz dich liebt?

Tausendundeine Art

Es war einmal am 3. Januar.

Es gibt tausendundeine Art, sich zu verlieben,
und deine
ist nur eine
davon.
Und meine
ist vielleicht eine andere.

Vielleicht will dich am Ende ja gar nicht. Das weiß ich auch noch nicht. Und vielleicht entscheidest du dich auch anders. So viel vielleicht. So viel vielleicht liegt da vor uns, dass ein Nein so viel wahrscheinlicher ist als ein Ja. So viel sicherer. Vernünftiger. Aber das Leben ist sowieso nicht sicher und vernünftig. Warum also so tun?

Du und ich.

Es gibt tausendundeine Art, sich zu verlieben,
und vor zwei Tagen hast du es gewagt, mich zu berühren, ganz absichtlich und fokussiert und zärtlich. Meine Haare und dann mein Gesicht, hast es nachgemalt, hast mich dabei angesehen, die ganze Zeit angesehen. „Du weißt schon, wie man jemanden um den Finger wickelt, oder?“, habe ich geflüstert. Ein Lächeln zog über dein Gesicht. „Dich. Wie man dich um den Finger wickelt. Nicht jemanden.“ Da war es dann ausgesprochen: Du willst mich um den Finger wickeln und ich lasse mich um den Finger wickeln. In mir war alles kribbelig.

Es gibt tausendundeine Art, sich zu verlieben,
und du liebst die langen Blicke, die langsamen Berührungen und die Stille. Du nennst das Stimmung. Dabei wirst du immer ganz ernst. Und ich, ich mag es verspielt, mag es leicht, und ich genieße deine Berührung, genieße deine Blicke, nur manchmal, manchmal wirst du mir zu intensiv, zu ernst, zu dicht, zu viel, und dann haue ich ab, nur, um gleich darauf wieder zurückzukommen.

Mich kriegst du eher durch die Hintertür. Durch deine Kreativität und deine Unabhängigkeit, deine freigebende Art. Dadurch, wie selbstverständlich du in meiner Wohnung bist und wie ich nie so wirklich weiß, wo du bist, wenn du nicht hier bist. Mich kriegst du durch deine tiefen Fragen und deine ernsten Antworten, durch den Blödsinn in deinem Kopf und deine Art, mich zu ärgern. Vor allem aber kriegst du mich dadurch, dass du es ganz offen versuchst. Ich weiß, was du von mir willst, und ich sehe, wie du dich um mich bemühst. Du respektierst die Grenzen, die ich setze, aber wo ich keine setze, gehst du eben weiter. Und das funktioniert bei mir. Ich fühle mich dann wertvoll und mein Herz wird warm.

Es gibt tausendundeine Art, sich zu verlieben,
und wenn du da bist, wird mir warm. Wenn du weg bist, verwickle ich dich in meine Gedanken. Und seit ich weiß, dass ich dir morgen das zweite Kapitel von Ronja Räubertochter vorlesen und dir dann gute Nacht sagen werde, klopft mein Herz ein bisschen schneller.

Ein vorzeitiger Liebesbrief

Hallo du.

Ich bin Sina, und ich warte auf dich. Ich bin nicht ungeduldig. Das darf alles noch Zeit haben – ich bin ja erst sechzehn – und Liebe ist nichts, was verkrampft gut funktioniert. Ich sollte vielleicht erst mal wissen, wer ich überhaupt bin und was ich so will in meinem Leben, bevor das mit uns beiden was wird. Ich warte einfach nur auf dich und denke ein bisschen über dich nach.

Du bist ein Kämpfer, das weiß ich. Das männliche Herz ist kämpferisch. Ich freu mich schon auf die Schlachten, in die wir beide ziehen werden, denn mit mir wirst du eine Kriegerin an deiner Seite haben, weißt du. Wir beide werden geschlossen nebeneinander stehen, machtvoll, eins.

Ich werde definitiv eine Herausforderung für dich sein. Mit meinem Bedürfnis nach Tiefe, meinen manchmal gegensätzlichen Stimmungen und meinen irgendwie feuerwerk-explosionsartigen Impulsen der Kreativität. Ich glaube, du wirst stabil sein müssen, ein Fels in der Brandung, sonst klappt das nicht.

Wir werden verrückte Dinge miteinander machen. Ich weiß zwar noch nicht, wie du bist, aber ich kenne mich selbst gut genug, um das sagen zu können. Vielleicht werden wir uns mitten in der Nacht spontan ins Auto setzen und ans Meer fahren. Vielleicht kannst du ja Longboard fahren und dann bringst du es mir bei. Ich werde dir Lieder auf der Ukulele schreiben und vielleicht kannst du ja singen. Vielleicht werden wir mal paragleiten oder probieren Bungee jumping aus. Und wahrscheinlich werden ganz ungeplant die besten Momente entstehen. Jedenfalls wird es von uns Geschichten zu erzählen geben. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Und ja, ich weiß, dass Beziehungen auch hart sind und Arbeit bedeuten, aber ich werde dann bereit dazu sein, gegen Resignation und Bitterkeit zu kämpfen und auch gegen die anderen Schwierigkeiten, von denen ich jetzt noch keinen Schimmer habe, und ich werde bereit dazu sein, immer wieder neu dich kennenzulernen und zu verstehen und dir zu vergeben. Und du wirst auch bereit dazu sein. Und dann wird das lohnenswert sein.

Und ich sag dir mal was. Der Zeitgeist sagt manchmal komische Sachen über euch Männer, Hauptsache sensibel und verständnisvoll, effektiv und vorhersehbar und harmlos und bloß nicht aggressiv und solchen Kram. Hör nicht drauf. Richte dich nicht danach, sonst will ich dich nicht. Für mich darfst du ruhig wild und ungezähmt sein, mutig und kämpferisch und stark. Du brauchst einen Zugang zu deinem Herz. Erst dann bist du lebendig und in der Lage, irgendetwas zu lieben, zum Beispiel mich. Lass dir diesen Zugang nicht von falschen Idealen und Erwartungen verstopfen. Und bitte töte ihn nicht ab mit Party, Alkohol und fehlgeleiteter Sexualität. Und pass auf, dass sich dort keine Bitterkeit absetzt wie Kalk in einem Wasserrohr, bis es nichts mehr durchlässt. Das Herz in dir drin darf voller Feuer und Energie sein, bewegt werden und schmerzen und freuen und standhalten. Lebendig sein halt.

Das wird gut mit uns zwei, und ich freu mich drauf. Ich hoffe, dir gehts gerade gut und du hast gerade Spaß an deinem Leben.

Ich überlege mir gerade, ob und wann und wie du das hier lesen wirst. Vielleicht kommen wir zusammen und irgendwann zeige ich es dir, und du wirst dich kaputt lachen, wenn du es ließt. Vielleicht wirst du auch in einem dämlichen Ausnahmezustand von Verliebtsein meinen Blog durchforsten und auf das hier stoßen. Vielleicht ließt du das aber auch jetzt schon, heute. Wenn ja, dann musst du dich unbedingt mal als du erkennbar machen, denn dann will ich dich kennen lernen, so richtig, meine ich.

Aber bis dahin bleibe ich hier und warte und denk ab und zu mal über dich nach und hoffe, dass du in der Zwischenzeit ne ordentliche Lebensgeschichte schreibst. Schreib heute ne gute Lebensgeschichte. Ich versuchs auch.

Ich liebe dich – dann irgendwann jedenfalls.
Sina