Nicht genau so passiert.
„Hast du dich eigentlich schon mal geschminkt? Ich meine – so richtig?“, fragt die eine Frau, in der ich irgendwie immer noch nur eine älter gewordene Teenagerin sehen kann.
„Nein“, antworte ich wahrheitsgemäß. Meine Schminkerfahrungen beschränken sich auf Wimperntusche, Kajal, Concealer und Puder.
„Willst du mal so richtig geschminkt werden?“
„Okay“, antworte ich. Schaun wir mal.
Eine ganze Weile lang trägt sie verschiedene Mittel auf mein Gesicht auf, überlegt und vertuscht und hebt hervor, versucht nachzubessern und zu verändern. Schließlich ist sie so weit, schiebt mich vor den Spiegel. Stolz betrachtet sie ihr Werk.
„Schön“, sage ich. Und fremd, füge ich in Gedanken hinzu. Ganz fremd.
Ich gehe wieder auf mein Zimmer und schaue mich eine Weile im Spiegel an. Versuche, mich daran zu gewöhnen. Dann gehe ich zum Waschbecken und mache alles weg, die aufgetragene Veränderung, das Schönheitsideal, an das ich angepasst wurde, den ganzen Kram, der meine Haut kaputt macht, all das wasche ich ab, wasche ich weg. Mein Spiegelbild sieht wieder aus wie ich, ganz unverzerrt und ehrlich, die Macken und Kanten wieder offen und ungeschliffen, auf dass sich ruhig alle daran stoßen.
Als ich zum Abendessen komme, nimmt sie enttäuscht zu Kenntnis, dass ich ihre ganze Arbeit zerstört habe. „Fandest du es denn nicht schön?“
„Doch, es war schon schön“, antworte ich. „Aber ich mag mich so lieber.“