Einfach so bei dir

Texte vom langsamen Beginn einer ersten Liebe 2/4

Ich wäre jetzt gern bei dir, bei dir in deinem Zimmer, und würde auf dem Kuschelteppich neben deinem Bett liegen und dir beim Lernen zuschauen. Einfach so.

Einfach so, und damit ich nicht alleine bin. Ich bin müde davon, alleine zu sein, im Stillen auszuhalten, nur mich selbst und die Fremde um mich zu haben. Aber bei dir im Zimmer – Reden muss gar nicht sein, brauche gar nicht deine ungeteilte Aufmerksamkeit, sondern nur die Gewissheit, dass du mich gerne bei dir hast.

Einfach so, und um geschützt zu sein. Du bist mir Schutz mit deiner inneren Stärke, deiner Zuversicht; Schutz vor all dem negativen Gedankenchaos, vor der Überforderung, vor der Mutlosigkeit. Keine Ahnung, wie das funktioniert, aber all das wirkt so klein und wird so viel stiller, wenn du da bist. Und das selbst, wenn wir darüber gerade gar nicht reden.

Einfach so, und weil du es bist. Weil es du sein sollst, dem ich beim Lernen zugucke, bei dem ich nicht alleine bin, bei dem ich mich sicher fühle.

Und dann, wenn du mit dem Lernen fertig bist und ich genug bei dir ausgeruht und aufgetankt habe, könnten wir ein bisschen die Welt erobern gehen. Zum Beispiel den Wald.

Einfach so, und weil wir es lieben, das Leben zu genießen.

Du öffnest deine Hand

Texte vom langsamen Beginn einer ersten Liebe 1/4

Du öffnest deine Hand und ich lege die meine in deine.

Lange war sie verschlossen, deine Hand, und all deine Gedanken, all deine Gefühle, blieben in dir. Du bewegtest sie in dir und ließt sie keinen Weg hinaus finden. Schwer war das alles in dir, doch leichter es bewahren als irgendetwas zu zeigen. Du hast mich angesehen und deine Gedanken erzählten ihre eigene Geschichte. Dabei warst du auf meinen Wegen, ohne zuvor Fragen zu stellen, und hast mir aufgeholfen, mich ins Gleichgewicht gebracht. Und doch blieb deine Hand verschlossen, und ich griff nie nach ihr. Ich sah dich an. Sah dich an und sah dich an. Ich frage mich, wie du es nicht gesehen hast. Und du wolltest hinaus, doch bliebst in dir, bliebst in dir stecken, und ich saß meine Ungewissheit aus. Wusste nie, was da noch war, ob da noch etwas war. Doch jetzt hattest du Zeit, Zeit diese Schlacht zu schlagen, und endlich, endlich…

öffnest du deine Hand und bietest sie mir an. Und ich nehme sie, als hätte ich nie etwas anderes getan, als hätte ich es schon lange gewusst.

Eine kleine Runde

„Wollen wir echt noch rausgehen? Ist schon ziemlich spät.“
Wir betrachten gemeinsam den digitalen Wecker, der 23.12 anzeigt.
„Vielleicht noch ne kleine Runde oder so.“

Kurz darauf ziehen wir die Haustür hinter uns zu und laufen los. Industriegebiete und Wälder um Mitternacht – kein Problem, wenn man einen Mann dabei hat. Ich fühle mich sicher. Mit jeden Schritt lasse ich ein bisschen Schreibtisch, Uni, Stress hinter mir. Mit jedem Schritt lockern meine Gedanken etwas mehr auf. Mit jedem Schritt wird diese Gegend ein bisschen mehr mein Zuhause.

Sieben Kilometer und unzählige Worte später. Wir sind auf dem Rückweg. „Was war für dich am schwersten daran, umzuziehen und ein Studium anzufangen?“, fragt er. Ich habe ihn kurz vorher dasselbe gefragt. Jetzt bin ich dran mit antworten. Ich muss überlegen. Die letzten Monate waren viel. Sie waren aufreibend und ein einziges Durchhalten. Sie waren schmerzhaft.

„So viel zu verlieren“, sage ich. Ich erahne sein Nicken in der Dunkelheit. Er kennt meine Geschichte, war die letzten Wochen nah dran.

„Immer, wenn man was verliert, ist da auch ne Chance drin. Was Neues kann kommen.“

Mir wird der Moment bewusst, den ich gerade erlebe. Wir haben beide keine Uhr und kein Handy dabei, aber es ist sicher irgendwann nach eins. Wir laufen durch die Wiesen zurück in Richtung Stadt. Eine Autobahnbrücke erhebt sich weit über uns. Die Dunkelheit umgibt uns wie ein schützender Mantel. Es ist kalt, aber der Wind bläst meinen Kopf frei. Ich muss lächeln.

„Ja. Inzwischen sehe ich das auch. Ich bin froh, hier zu sein.“

Am Ende sind es 10 Kilometer, bis wir wieder bei ihm vor der Haustür stehen. Er ist völlig platt. Meine Füße tun weh. „So viel zu nur eine kleine Runde“, kommentiert er grinsend.

„Danke“, sage ich.