Manchmal

Für so einige Freunde und für einen ganz besonders

Manchmal kann ich dich nicht leiden, weil du besser bist als ich, dein ganzes Leben so viel besser läuft als meines, und ich immer noch nicht gelernt habe, nicht zu vergleichen. Ein bisschen besser bin ich darin vielleicht schon geworden, ein ganz bisschen, aber nicht viel. In vielem sind wir uns so ähnlich, und manchmal gönne ich dir deine Erfolge nicht. Nicht, weil du sie nicht haben sollst, sondern weil ich sie auch will. Manchmal mag ich dich nicht, weil ich unzufrieden mit meinem eigenen Leben bin.

Manchmal nervst du mich an den Stellen, wo du anders bist als ich, wo ich dich nicht berechnen kann und du Dinge tust, die mir nicht in den Kram passen. Da bin ich eine Strategin. Überlege mir genau, wie alles laufen soll, und dann machst du einfach irgendetwas anders als ich dachte. Und dann nervst du mich, weil ich immer noch nicht gelernt habe, spontan meine gescheiterten Pläne links liegen zu lassen und mich auf das Neue einzulassen. Manchmal mag ich dich nicht, weil ich lieber die Kontrolle über alles behalten würde.

Manchmal hab ich auch einfach Angst vor dir. Weil du mir so nahe stehst und deine Worte mir so wichtig sind, kannst du mich mit ein paar Sätzen sehr verletzen – egal, ob es nur deine Empfindung oder die Wahrheit ist. Ich weiß, dass du sagen wirst, was du denkst, auch wenn es mir nicht passt. Und ich habe immer noch nicht gelernt, Spannungen in Freundschaften auszuhalten. Manchmal mag ich dich nicht, weil ich ständig vergesse, dass ich dir wertvoll bin, selbst wenn ich Fehler mache.

Und dann wieder sehe ich die tausend wundervollen Kleinigkeiten in dem, wie du mit mir und wir miteinander sind. Ich bin ein zerbrochener Mensch und du genauso. Was für ein Schatz, dass wir uns aushalten und so sehr mögen.

Manchmal, da denke ich, dass mich an dir was stört, wo mich in Wirklichkeit etwas an mir selbst stört.
Aber weißt du was? Das ändert nichts daran, dass ich – wie als Grundlage darunter, eine schlichte, gültige Wahrheit –

so unendlich dankbar für dich bin.

durch die Schattentage gehen

Wenn ich in letzter Zeit in den Spiegel gucke, dann erschrecke ich mich manchmal. Ich bin so dünn geworden. Mein Gesicht ist schmaler, meine Schultern zeichnen jeden Knochen ab und ich kann meine Rippen zählen. Und ich bin so blass – waren meine Augen schon immer so dunkel? Müde, geschafft. Ich sehe ein bisschen aus wie eine Blume, die zu wenig Wasser bekommen hat.

Ja, es war mal wieder viel, was ich in letzter Zeit mit mir herumzutragen hatte. Viel, mit dem ich gekämpft habe. Das geht jetzt schon einige Jahre so: Ein Kampf folgt dem anderen. Ich warte auf eine Zeit, wo es einfach mal okay ist. Wo ich nicht so stark sein muss. So viel stärker und mutiger, als ich mich fühle.

Manchmal träume ich dunkle Geschichten, in denen ich etwas Schlimmes verhindern muss und nicht weiß, wie. Dann wache ich hilflos und verzweifelt auf und komme kaum wieder im echten Leben an. Gestern war mal wieder so eine Nacht, und heute ist mal wieder so ein Tag: So ein Schattentag. Irgendwie wird es einfach nicht hell in mir. Das war jetzt monatelang normal, aber die letzte Woche war doch endlich mal gut. Warum ist es jetzt wieder dunkel? Ich will nicht zurück. Ich will nach vorne, ich will, dass es hell wird.

Meine Mama sagt, das ist normal. Schattentage gibts auch auf dem Weg der Besserung. Ich glaube ihr.

Immer wieder bin ich dankbar. In den letzten Wochen fällt mir immer wieder auf, wie gut sich Gott doch um mich gekümmert hat in all den Schattenjahren hinter mir. Ich sehe das an einer Freundin, der es jetzt so geht wie mir vor einiger Zeit. Ich sehe, dass ich da auch war, wie ich war, wie ich kaum Hoffnung gefunden habe und wie mich diese Zeit im Rückblick doch stärker, verständiger und liebevoller gemacht hat.

Und ich bin dankbar für all die kleinen Dinge. Jede Nacht, die ich gut schlafe. Jeder Tag, an dem ich mich lebendig fühle. Freue mich über Sonnenstrahlen und den Mond, über Primeln und Grünspechte, über die Vorlesestimme von Gert Heidenreich und über die unzähligen Knuddler meiner geduldigen Freunde. Letzte Woche, da haben wir zusammen Musik gemacht, und ich hab mich mal voll was getraut. Das war gut. Dafür bin ich auch dankbar. Dankbarkeit ist meine Stärke, das weiß ich.

Ich bin wie ein Kind. Wie ein kleines Kind. Ich kann nicht groß planen, weil ich nie weiß, wie es weitergeht. Ich kann nur jeden Tag nehmen, wie er kommt. Und ich weiß von mir, dass ich mich freue, wann immer es geht, und dass ich mit leeren, bedürftigen Händen alles annehme, was mir gegeben wird.

Es wird mich stark machen. Das weiß ich. Jetzt muss ich es nur noch glauben.

Oktobermorgen*

(Mit zwei Wochen Verspätung)

Wenn es Samstagmorgen ist und die Sonne die Nebeldecke mit goldenem Licht flutet, wenn die leeren Straßen glitzern und ich mit dem Fahrrad durch das fallende Laub hindurch fahre, wenn die Luft so schön kühl ist und die Welt so hell und gold und ruhig,

dann wird irgendwo in meinem Körper irgendein Hormon ausgeschüttet (über das ich bestimmt bald eine Vorlesung haben werde) und ich bin einfach glücklich.

:-)

*Weil Mörikes Septembermorgen-Gedicht in meinem Leben immer irgendwie erst im Oktober lebendig wird